Abzug in Verantwortung?
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Abzug in Verantwortung? (21.08.2010)

 

Die letzte US-Kampfbrigade hat den Irak sieben Jahre nach Beginn der Invasion in Richtung Kuweit verlassen. 50.000 US-Soldaten bleiben gemäß Stationierungsabkommen noch bis Ende 2011 im Land, um bei Ausbildung der Sicherheitskräfte und in der Logistik zu unterstützen. Danach sollen 7000 Mann ziviles Sicherheitspersonal die Lage möglichst stabil halten.

Gewonnen haben die USA nicht und ein „Gewinn“ des Irak und seiner Bevölkerung ist derzeit noch sehr zweifelhaft. Denn die Lage im Irak ist eher fragil als stabil, der Terror hat wieder zugenommen und Al Qaida ist nicht zerschlagen sondern hat eher an Einfluss gewonnen. Die irakischen Soldaten und Polizisten, die nun überall im Land für Sicherheit sorgen sollen, können das ganz offensichtlich noch nicht Die Wirtschaft liegt ziemlich am Boden und fünf Monate nach den Wahlen hat der Irak noch keine Regierung bilden können. Die irakischen Politiker sind offensichtlich nicht in der Lage, mit der religiösen, ethnischen und kulturellen Vielfalt des Landes umzugehen und die erforderlichen politischen Kompromisse zu schließen.

In dieser Lage ist die Schlussfolgerung nicht abwegig, dass der Abzug eher den Obama-Versprechen und US-Zwischenwahlen geschuldet als er durch die Sicherheitslage und politisch-wirtschaftliche Situation im Irak gerechtfertigt ist. Da können die USA, die westliche Welt, der Nahe Osten und nicht zuletzt die irakische Bevölkerung nur hoffen, dass es ein sicherheitspolitisch insgesamt verantwortbarer Abzug ist, der sich nicht schon bald als fataler Fehler der Amerikaner erweist, das Land bereits jetzt in die Eigenverantwortung zu entlassen. Die Iraker haben es nun selbst in der Hand, ob das Experiment arabischer Demokratieentwicklung unter hinreichend gesicherten Verhältnissen gelingt. Skepsis ist da berechtigter als Optimismus. Und das Urteil der Geschichte über diesen Krieg wird wohl kaum positiv ausfallen.

Präsident Obama hat für Juli kommenden Jahres den Beginn des Rückzuges amerikanischer Truppen aus Afghanistan angekündigt. Bundeskanzlerin Merkel hat als Ziel des deutschen Engagements eine „Übergabe in Verantwortung“ an die afghanischen Institutionen verkündet und Außenminister Westerwelle hat zum Ausdruck gebracht, dass auch Deutschland in 2011 beginnend, „stabilisierte“ Regionen in die Verantwortung Afghanistans übergeben will und die eigenen Truppen dann entsprechend reduziert. Um Verantwortung verantwortbar an afghanische Institutionen übergeben zu können, müssen wir genau wissen, welche gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Lage hinsichtlich einer unter hinreichend sicheren Rahmenbedingungen lebenden afghanischen Bevölkerung erfüllt sein müssen, um zunächst Landesteile und dann Afghanistan in die Eigenverantwortung zu entlassen. Das hat die deutsche Politik bisher nicht geleistet. Das muss aber geleistet werden, wenn „Übergabe in Verantwortung“ ggf. nicht in einer Flucht aus der Verantwortung enden soll.

Die politische Lage im Irak und in Afghanistan ist nur schwer zu vergleichen, die Situation in Afghanistan scheint zurzeit allerdings schwieriger und gefährlicher zu sein. Und die Bedingungen für eine politische Stabilisierung sind in Afghanistan ungünstiger. Trotzdem und gerade deswegen sollten wir die Chance nutzen und die Lage im Irak zum Zeitpunkt des Abzuges der amerikanischen Kampftruppen auch in Deutschland im Hinblick auf die Verantwortbarkeit des Abzuges und der Entlassung in die Eigenverantwortung des Irak sehr eingehend und genau analysieren. Auf der Grundlage der Analyseergebnisse sollten wir für die im Norden Afghanistans ins Auge gefasste „Übergabe in Verantwortung“ die erforderlichen Maßstäbe und Kriterien entwickeln und den Bundestag als Grundlage für unsere Afghanistanpolitik darüber entscheiden lassen. Wir sollten außerdem die Lageentwicklung im Irak jetzt in allen Politikfeldern intensiv verfolgen und beobachten, um daraus Lehren für eigenes verantwortbares politisches Handeln ziehen zu können. Wenn „Übergabe in Verantwortung“ keine mehr oder weniger inhaltsleere Formel bleiben soll und Deutschland seiner Verantwortung für eine sichere und möglichst glückliche Zukunft der afghanischen Bevölkerung gerecht werden will, sind noch erhebliche politische Anstrengungen zu schultern. Viel Zeit bleibt dafür nicht.

(21.08.2010)

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