Afghanische Vielfalt
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Afghanische Vielfalt (09. Dezember 2009)

 

 

 

In der auf Afghanistan bezogenen deutschen Sicherheitspolitik geht es zu wie auf einem afghanischen Provinzmarkt, das Bild ist sehr bunt, das Angebot vielfältig, die wenigen Marktschreier sind laut, die Qualität ist nicht unbedingt hoch und Markttransparenz ist aufgrund der nur schwer vergleichbaren Angebote kaum zu gewinnen.

Präsident Obama hat eine neue Strategie für Afghanistan verkündet und die Aufstockung der US-Truppen bis auf ca. 100 000 Soldaten angekündigt, will so hauptsächlich die Taliban zerschlagen und ab Juli 2011 mit dem Abzug der Truppen beginnen. Wir haben keine eigenen aktuellen und konkreten politischen Zielvorgaben und daraus abgeleitete  strategische Vorstellungen, deswegen begrüßt Kanzlerin Merkel die politische Absicht Obamas etwas plakativ als „kräftiges Signal“. Über eine Verstärkung deutscher Truppen werde aber erst nach der NATO-Konferenz im Januar 2010 entschieden.

Im Rahmen der Außenministerkonferenz sagen NATO und Partnerländer 7000 zusätzliche Soldaten zu und Herr Westerwelle sagte „Eine Debatte, die sich lediglich auf die Frage verkürzt, wie viel Soldaten mehr oder nicht - das ist aus unserer Sicht weder zielführend noch angemessen“, also bleibt Außenminister Westerwelle der dürftige Verweis auf die NATO-Konferenz, als ob dann neue Erkenntnisse vorlägen, und betont die  Verstärkung deutscher Polizeikräfte als vorrangig. Nachdem Deutschland die Federführung für die Polizeiausbildung hatte und dabei ziemlich kläglich versagte, so dass die EU die Federführung übernommen hat, geht es zunächst einmal darum, dass Deutschland nun endlich die schon lange zugesagten Polizeikräfte stellt – bisher sind nur 50% der Zusage erfüllt – erst dann kann man von Verstärkungen reden. Immerhin gesteht der Außenminister ein, dass die bisherigen Debatten im deutschen Bundestag, die ja hauptsächlich an Obergrenzen orientiert waren, „ weder zielführend noch angemessen“ waren.

Der Verteidigungsminister verweist, etwas wortkarg geworden, auf die NATO-Konferenz und der Entwicklungsminister betont die Notwendigkeit verstärkter Aufbauanstrengungen und Polizeiausbildung.

Der freistaatlich bayerische Ministerpräsident verkündet – an sich relativ ungefragt aber top-populistisch – mehr als 4500 deutsche Soldaten seien für die Erfüllung der Aufgaben nicht erforderlich. Begründen könnte Herr Seehofer solche schlanken Aussagen wohl nicht, aber nach Begründungen fragt den eh keiner.

Der Abgeordnete Uhl mahnt zunächst einmal die Überprüfung der deutschen strategischen Vorstellungen an: „Viel eher bedarf es einer Überprüfung unserer Ziele und einer effektiven Strategie zu deren Erreichung. Erst im dritten Schritt sollten wir über die hierfür notwendigen Mittel nachdenken“. Abgesehen davon, dass man nicht existente aktuelle gesamtstrategische Vorstellungen ja nicht überprüfen kann, liegt er mit dem Hinweis auf den dringenden Bedarf an konkreten politischen Zielen und deren Operationalisierung goldrichtig.

Der US-Sondergesandte Richard Holbrooke zieht eine ernüchternde Bilanz: "Wir fangen im neunten Jahr des Krieges wieder von vorne an." , dabei will Obama ja ab Juli 2011 mit dem Abzug beginnen. Auch deswegen rät er der deutschen Regierung zur Entsendung von mehr Soldaten nach Afghanistan. Deutschland müsse allerdings selbst entscheiden, wie viele Soldaten es zusätzlich nach Afghanistan schicken wolle.

Der  Bundeswehrverband fordert eine Bilanz des bisherigen Engagements in Afghanistan bevor über Verstärkungen entschieden wird. Und der Bundeswehrverband fordert sehr zurecht stimmige und eindeutige rechtliche Grundlagen für den Einsatz unserer Soldaten am Hindukusch.

Grüne-Vorsitzende Roth ist eher "dagegen". „Wir brauchen nicht mehr Militärs, wir brauchen eine zivile Offensive. Also den Aufbau von Polizei, Justiz und Wirtschaft". Und auch Herr Arnold (SPD) fordert, dass über die politischen Zielsetzungen für Afghanistan nachgedacht werden sollte. Klar, dass ihm das erst in der Oppositionsrolle klar wird, nach knapp acht Jahren der Versäumnisse in Regierungsverantwortung.

Und auch Frau Lüke von Amnesty International Deutschland fordert klarere gesetzliche Vorgaben für die Einsätze deutscher Soldaten im Ausland, das will schon etwas heißen und es muss dringend sein, wenn Amnesty International sich für deutsche Soldaten einsetzt

Nur eine Stimme ertönt nicht im atonalen Konzert, der Ruf nach der dringenden und sofortigen, deutlichen Verstärkung mit deutschen Kampftruppen im Norden Afghanistans . In der "Feigheit vor dem Wähler" sind sich unsere Politiker wohl einig.

Diese Stimmen spiegeln die sicherheitspolitische Vielfalt nur ansatzweise wider, denn viele haben ja etwas dazu zu sagen. Wichtig ist, dass sich die verantwortlichen Politiker über die Ursachen dieser Vielstimmigkeit klar werden. Und es bleibt festzustellen, dass in dieser Vielstimmigkeit eine vielfältig unzureichende deutsche Sicherheitspolitik dokumentiert wird.

Die Regierung Schröder/Fischer hat es versäumt, politische Zielsetzungen  und ein daraus abgeleitetes gesamtstrategisches Konzept für unser Afghanistanengagement zu formulieren. Und die sicherheitspolitische Diskussion drehte sich daher hauptsächlich um Obergrenzen.

Innenminister Schily hat im Hinblick auf die deutsche Federführung für die Polizeiausbildung schlechte Politik gemacht.

Die Regierung Merkel/Steinmeier hat diese gravierenden Defizite nicht ausgeräumt sondern weiter mit solchen unzureichenden Rahmenbedingungen "politisch gelebt", trotz der signifikanten Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan. Innenminister Schäuble hat zu verantworten, dass Deutschland nur ca. 50 Prozent der zugesagten Polizeiausbilder gestellt hat. Und Deutschland hat sich hauptsächlich mit Schlagworten, wie „vernetzter Ansatz“ begnügt, ohne solche Schlagworte jemals real politisch umzusetzen. Darüber hinaus hat Außenminister Steinmeier nie zu erkennen gegeben, dass er um seine Federführung für den Afghanistaneinsatz weiß und gewillt ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Und wir begnügen uns zunächst weiter mit Schlagworten wie "Übergabe in Verantwortung", ohne definiert zu haben, was wir wann in welcher Qualität für verantwortbar halten.

Jetzt wird von vielen Politikern vielstimmig geredet, aber der Zusammenhang ist nicht zu erkennen, weil eine gemeinsame Grundlage fehlt. Es wird also höchste Zeit, dass im achten Jahr unseres Afghanistaneinsatzes eine „ Überprüfung unserer Ziele und einer effektiven Strategie zu deren Erreichung" (MdB Uhl) stattfindet. Und wichtig ist, dass solche politischen Zielvorstellungen und eine Gesamtstrategie vom Parlament verabschiedet werden. Dann haben alle verantwortlichen Politiker eine gleiche Grundlage, wenn auch nicht gleiche Meinungen.

Man kann nur hoffen, dass Deutschland die längst überfälligen Hausaufgaben macht und mit eigenen gesamtstrategischen Vorstellungen sich in die NATO-Konferenz am 28.01.2010 einbringt.

Nahezu noch dringender ist die Erarbeitung von an der signifikant verschlechterten Sicherheitslage orientierten politischen, juristischen und militärischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Auftragserfüllung unserer Soldaten unter den kriegsähnlichen Umständen Afghanistans. Hier sind die Parlamentarier in ganz realer Verantwortung für die Parlamentsarmee Bundeswehr.

(09. Dezember 2009)

 
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