Angst
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Angst (19.11.2010)

 

Wenn Innenminister de Maizière entscheidende Stellen im Zusammenhang mit den Briefbomben-Vorfällen nicht informiert, dann ist das ein Fehler und nicht Ausdruck eines vornehm zurückhaltenden Naturells. Über diesen Fehler ihres Innenministers war die Bundeskanzlerin mit Recht öffentlich ungehalten. Das schmerzt einen ehrgeizigen Minister.

Wenn er diesen Fehler mit der Alarmierung der Bevölkerung wegen Ende November vermutlich geplanter Terroranschläge in Deutschland wettmachen wollte, dann hat er einen weiteren gravierenden Fehler begangen.

Die pragmatischen Engländer haben für politisches Handeln eine sehr einfache Testfrage. „So what?“ Was soll erreicht werden, wenn der Innenminister plötzlich und aufgeregt öffentlich von mutmaßlichen Anschlagsvorhaben islamistischer Gruppen in Deutschland spricht? Was wird von der Bevölkerung, die nun pauschal und absichernd informiert ist, erwartet? Wie soll die Bevölkerung zu ihrem Schutz beitragen? Was konkret sind Verdachtsmomente, die den Behörden zu melden wären? Diese Reihe von Fragen lässt sich leicht und begründet fortsetzen. Das zeigt, dass mit dieser Alarmierung der Bevölkerung kein konkreter Beitrag zur Gefahrenabwehr geleistet wurde. Der Innenminister sagt: „Es gibt Grund zur Sorge, aber keinen Grund zu Hysterie.“ Mit seinem Verhalten leistet er aber der Hysterie Vorschub.

Die Reaktion der Medien und der Politik geben dann auch am 18./19.11. 2010 ein eindringliches Zeugnis alarmistischen und hysterischen Verhaltens. Im Rahmen der Konferenz der Innenminister mahnt de Maizière die Bevölkerung, gelassen zu bleiben. Inzwischen ist der Minister von der Richtigkeit seiner Alarmierung wohl auch nicht mehr so überzeugt und das wird am Abend in der ZDF-Sendung „Was nun?“ sehr deutlich. De Maizière „eiert“ unsicher herum, bedient reihenweise Stereotype und wiederholt diese auch noch, er wird nicht konkret und weicht aus, er wirkt alles andere als vertrauenerweckend. Und das Einspielen von Filmszenen des Terroranschlags in Mumbai während des Interviews schürt unverantwortlich zusätzlich Angst und Schrecken. Dabei hat dieser Minister vollmundig gesagt: „Wir lassen uns durch den internationalen Terrorismus weder in unseren Lebensgewohnheiten noch in unserer freiheitlichen Lebenskultur einschränken.“ Offensichtlich ist ihm nicht bewusst, dass er durch die Alarmierung der deutschen Bevölkerung die Lebensgewohnheiten der Menschen beeinträchtigt und den Terroristen den ersten „billigen“ Sieg gönnt.

Der Innenminister hat wichtige Informationen über die akute Bedrohungslage und den Innenausschuss des Bundestages bereits Mitte der letzten Woche informiert. Das Innenministerium ist, wie die Nachrichtendienste und die Sicherheitsbehörden auch, international für die Terrorismusabwehr gut vernetzt. Wenn Verdachtsmomente konkreter werden, dann sollte das Innenministerium froh sein über den Erkenntnisgewinn, aber vor allen Dingen sollte das Innenministerium solche Informationen unter Verschluss halten und die Nachrichtendienste und Fachleute verschiedener Ämter unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Ruhe und mit professioneller Gelassenheit arbeiten lassen, sowie die Sicherheitsmaßnahmen kalkuliert, erkenntnisbezogen und mit Augenmaß erhöhen. Die Bevölkerung darf erst dann einbezogen werden, wenn konkrete Maßnahmen zu ergreifen sind.

Jede Aufregung, jedes Anzeichen von Hysterie und jede Überreaktion tragen nicht zur Abschreckung von Terroristen bei, sondern sind Erfolge der Terroristen. Die Terroristen wollen verunsichern, sie wollen Organisationen und Dienste lahmlegen, überstrapazieren und blockieren. Die Terroristen ergötzen sich an der erkennbaren, hochgezüchteten Angst von Bürgern und Politikern. Inzwischen gehen Sicherheitsbehörden einem „amerikanischen Real-Testkoffer“ auf den Leim, ein Innenminister ruft zum Denunzieren von Mitbürgern „die etwas seltsam aussehen“ auf, der Ruf nach Vorratsdatenspeicherung wird wieder laut und ein ICE wird gestoppt sowie eine Bahnstrecke aufgrund von Bürgerverdacht kurzzeitig gesperrt. Solche Aufgeregtheiten, bis hin zu verstärkter Fremdenangst, werden uns in der Vorweihnachtszeit nun ständig begleiten.

Warum geben wir den Terroristen eine Bühne mit gleich mehreren "Vorhängen" und erfüllen so schon bei „mutmaßlichen Anschlagsvorhaben“ viele ihrer Wünsche? Das politische Verhalten des Innenministers ist hoffentlich nicht durch Angst vor der Bundeskanzlerin ausgelöst.

(19.11.2010)

 

 

 

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