Armutszeugnis
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Ein Armutszeugnis deutscher Politik

 

 

 

Der Anschlag mittels Sprengfalle am 27. August 2008 im Raum Kunduz, dem ein Hauptfeldwebel der Fallschirmjäger zum Opfer gefallen ist, löst sofort eine Kakophonie mehr oder weniger unkluger politischer Stimmen aus. Dabei können bei diesem Thema die sicherheitspolitisch unsinnigen Stimmen der Linken und der „Ströbeles“ unberücksichtigt bleiben.

 

Der Wehrbeauftragte Robbe fordert eine ständige Überprüfung des Sicherheitskonzeptes. „Nach jedem Anschlag muss genau untersucht werden, ob die Sicherheitslage noch verbessert werden kann.“ Wenn in schwierigem Gelände Sprengfallen geschickt eingebaut und mit Schnur gezündet werden, ist es am sichersten, im Lager zu bleiben. Ein solches Konzept hat sich in der Vergangenheit im Hinblick auf die Auftragserfüllung nicht gerade bewährt.

Politikern geht es ja auch häufig augenscheinlich weniger um die konkrete Sache, als darum, etwas gesagt zu haben. Und da man keine Zielsetzung hat, werden Details hochpolitisch geregelt.

Irgendwann kommen wir dann vielleicht dahin, dass der Verteidigungsausschuss die Durchführung von Patrouillen genehmigen muss. (siehe auch: Bürokratie im Einsatz)

Die SPD-„Verteidigungsexpertin“ Merten verlangt eine Überprüfung des Konzepts für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch. Das Wichtigste sei, dass die NATO für das ganze Land eine zusammenhängende Strategie entwickle. Jetzt müsse es eine offene Diskussion über den Afghanistan-Einsatz geben. „Man muss den Bürgern sagen, dass dieser Einsatz gefährlich ist“. Welch ein grandioses Eingeständnis politischen Versagens! Warum muss man beim sehr bedauernswerten Tod eines Soldaten ein Konzept überprüfen? Warum fordert Frau Merten eine zusammenhängende Strategie der NATO, wo die Bundesrepublik noch nicht einmal eine strategische Zielsetzung für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan formuliert hat und sich immer wieder dadurch hervortut, dass sie sich NATO-Forderungen verweigert? Warum soll erst jetzt offen diskutiert werden und warum hat man der Bevölkerung verschwiegen, dass sich die Bundeswehr im Kriegseinsatz befindet? Wenn Frau Merten in dem Zusammenhang die geforderte Aufstockung des Bundeswehrkontingentes um 1000 Soldaten befürwortet, dann dient das hauptsächlich der Beruhigung der Politiker – man kann sich an Zahlen festmachen und hat ja alles getan. Solches Engagement bleibt aber politisch unglaubwürdig, solange man nicht an einer deutschen strategischen und operativen Zielsetzung festmachen kann, warum es 1000 Soldaten mehr sein sollen und nicht 1150.

„Höher, schneller, weiter“ und vermeintlich sicherer reicht nicht, wenn man nicht weiß wofür. (siehe auch: Armee im Einsatz)

Statt wohlfeile Forderungen an die NATO zu richten, sollten die Volksvertreter endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und ein außen- und sicherheitspolitisches Zielsystem Deutschlands formulieren, vom Parlament billigen lassen und sich daran orientieren.

(siehe auch Jürgen Ruwe:Einsätze - einige Fragen an Minister Jung)

Vor solchem Hintergrund würde dann die Aussage des Verteidigungsministers, der Einsatz dürfe durch den Anschlag nicht in Frage gestellt werden, als ganz nett gemeint aber politisch unsinnig entlarvt.

Und eine wichtige Frage sollten nicht nur Militärs stellen: Wie und mit welchem Erfolg berät eigentlich der Generalinspekteur die verantwortlichen Politiker und welche Forderungen stellt der für die Einsätze der Bundeswehr verantwortliche „Erste Soldat“ an die Politik, damit die Soldaten der Bundeswehr endlich wissen, für welche Ziele der Bundesrepublik Deutschland sie Leib und Leben einsetzen?

Und wenn die deutschen Soldaten im Einsatz ihren Auftrag ausführen, dann können sie schon erheblich in Schwierigkeiten kommen.

Am 28.08.2008 werden an einer von deutschen und afghanischen Sicherheitskräften betriebenen Straßensperre drei Zivilpersonen – eine Frau und zwei Kinder – durch Schüsse auf ein Fahrzeug, das die Anweisungen nicht befolgte, tödlich verletzt. Ein sehr bedauerlicher Zwischenfall mit weitreichenden Folgen.

Die Bundeswehr selbst spricht auf ihrer Internetseite vom „Tatort“. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wird natürlich routinemäßig eingeschaltet. Und Gott sei Dank sagt die Bundeswehr auf der Internet-Seite auch: „Es gibt zur Zeit keinen Grund, den deutschen Soldaten einen Vorwurf zu machen.“

Erneute Kakophonie der politischen Stimmen: MdB Ströbele fordert die Beendigung des Einsatzes. Die Beteiligung deutscher Soldaten an der offensiven Kriegführung müsse sofort gestoppt werden. MdB Gysi meint, Deutschland drohe „im Sumpf eines schmutzigen Krieges zu versinken, der den Terror nicht bekämpft, sondern zu einer neuen Gewaltbereitschaft führt, in der zivile Aufbaubemühungen untergehen.“

FDP- Generalsekretär Niebel fordert die Verschiebung des deutschen Engagements hin zu einer deutlich verstärkten Polizeiausbildung.

Man sieht die Bundeswehr in eine „Täterrolle“ gedrängt und Aufbauerfolge dadurch gefährdet.

Diese Vielstimmigkeit hat erneut eine Ursache: die deutsche Politik weiß nicht, mit welchem Ziel deutsche Soldaten in Afghanistan ihren durchaus gefährlichen Dienst tun. Die verantwortlichen Politiker wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Bundeswehr unter den Bedingungen des Anti-Terror-Kampfes am Hindukusch eingesetzt ist. Terroristen ist jedes Mittel recht. Solange es weibliche Selbstmordattentäter gibt, solange Terroristen sich auch mit Burkas tarnen, wird es nicht ausbleiben, dass es bei der Durchführung militärischer Aufträge zivile Opfer – auch Frauen und Kinder - geben wird.

Dass die Bundeswehr in solche Zwischenfälle bisher nahezu nicht verwickelt war, liegt an der teilweise restriktiven Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben und an der Nichtteilnahme an aktiver Drogenbekämpfung.

Wer den Schwerpunkt auf Aufbauhilfe und gute Beziehungen zur afghanischen Bevölkerung legt, wird von der Mehrheit der Afghanen sicher gemocht. Taliban dagegen deuten militärische Zurückhaltung eher als Schwäche. Schwäche fordert Aggressivität geradezu heraus. Außerdem ist der Test, wie weit man gehen kann, ein probates Mittel auch von Terroristen.

Der Zwischenfall muss also nicht zwangsläufig die Gefährdung deutscher Soldaten erhöhen, sondern kann durchaus auch zu größerem Respekt der Taliban vor deutschen Einsatzkräften beitragen. Zum anderen ist die Bundeswehr nicht vermehrt Ziel von Anschlägen der Taliban wegen vermeintlich aggressiven Einsatzes, sondern weil die Taliban politisch denken und durchaus deutsche Reaktionen und die wiederholten politischen und emotionalen Forderungen nach Abzug aus Afghanistan in Folge von Anschlägen verfolgen. Den Taliban sind viele Mittel recht, um die anstehenden Entscheidungen zur Zukunft des Afghanistaneinsatzes in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Ich hätte mir deswegen gewünscht, dass die Bundeswehr nicht vom „Tatort“ spricht und sich nicht relativ anonym im Internet vor die Soldaten stellt.

Ich erwarte vielmehr vom Verteidigungsminister, dass er sicherheitspolitisch unsinnigen Forderungen der Opposition kraftvoll entgegentritt; vielleicht traut er sich ja doch irgendwann.

Und nicht eine anonyme Bundeswehraussage im Internet ist gefragt, sondern eine klare Stellungnahme des Generalinspekteurs zu dem bedauerlichen Zwischenfall in Ausübung militärischen Dienstes und zum Schutz der Soldaten vor Mutmaßungen, Verdächtigungen und Verleumdungen, solange ein Fehlverhalten nicht nachgewiesen ist.

Vielleicht gibt dieser bedauerliche Zwischenfall aber auch Anlass, noch einmal professionell über den von der CDU betriebenen Einsatz der Bundeswehr im Innern nachzudenken.(siehe auch: Einsatz der Bundeswehr im Inneren) Gegebenenfalls regt dieser Zwischenfall auch dazu an, die Zielsetzung der ins Auge gefassten Beteiligung der Bundeswehr an der „Piratenjagd“ genau zu formulieren, bevor wir versenkte Boote und erschossene Fischer, die im „Nebel des Einsatzes“ für Piraten gehalten wurden, zu beklagen haben.

 

(31.August 2008)

 

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