Bundeswehrreform 2010
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Bundeswehrreform 2010  (14.04.2010)

 

Die von der Bundesregierung berufene unabhängige Kommission "Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr" hat untersucht, wie die deutschen Streitkräfte künftig ihre Aufgaben im Rahmen einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik wahrnehmen können. Kernaufgabe war, Vorschläge für die Grundstrukturen einer neuen Bundeswehr zu entwerfen. Dabei waren bei den Untersuchungen der Kommission vier Forderungen miteinander zu vereinbaren, nämlich wie eine bedarfsgerecht zugeschnittene, bündnisfähige Bundeswehr auf der Grundlage einer gesellschaftlich tragfähigen Wehrform mit einer  technologisch modern gehaltenen Ausrüstung innerhalb eines angemessenen Haushaltsrahmens mittel- und langfristig am besten zu verwirklichen ist. Ziel: eine einsatzfähige, moderne und bezahlbare Bundeswehr.

Unter dieser Maßgabe und dem Motto „Erneuerung von Grund auf“ hat die Wehrstrukturkommission unter der Leitung von Alt-Bundespräsident von Weizsäcker intensiv gearbeitet und am 23.Mai 2000 einen Bericht vorgelegt.

Die Kommission stellt fest, dass die Bundeswehr des Jahres 2000 mit Blick auf die genannten Forderungen nicht im Gleichgewicht ist. "Sie ist zu groß, falsch zusammengesetzt und zunehmend unmodern. In ihrer heutigen Struktur hat die Bundeswehr keine Zukunft. Die Wehrform produziert zu große Personalumfänge bei gleichzeitig zu schwachen Einsatzkräften. Veraltetes Material schmälert die Einsatzfähigkeit und treibt die Betriebskosten in die Höhe. Die derzeitigen Haushaltsansätze erlauben in der heutigen Struktur und Wehrform keine hinreichende Modernisierung". Das war im Jahr 2000.

 

Der damalige Verteidigungsminister Scharping (SPD) hat die Ergebnisse der intensiven Arbeit dankend zur Kenntnis genommen, ist aber leider nur in Einzelaspekten den Anregungen gefolgt. Seitdem befindet sich die Bundeswehr in der Transformation zu einer an Einsatzverpflichtungen orientierten, leistungsfähigeren Struktur. Wenn man nun den Verteidigungspolitikern der Koalition folgt, dann hat die Bundeswehr offensichtlich die falsche Struktur eingenommen, denn im Koalitionsvertrag heißt es: "Der Bundesminister der Verteidigung setzt eine Kommission ein, die bis Ende 2010 einen Vorschlag für Eckpunkte einer neuen Organisationsstruktur der Bundeswehr, inklusive der Straffung der Führungs- und Verwaltungsstrukturen, zu erarbeiten hat."  (5806 ff)

Und der Verteidigungsminister sagt am 10.11.2009 vor dem Bundestag: "Die Koalitionspartner haben sich für die nächsten Jahre viel vorgenommen, gerade auch hinsichtlich der Strukturen der Bundeswehr. Wir haben uns ein ehrgeiziges, ja, ein ambitioniertes Programm gegeben, damit die Bundeswehr die herausfordernden Aufgaben annehmen und ihnen gerecht werden kann."

Das heißt im Klartext, die Struktur, die die Bundeswehr in 10 Jahren harter Arbeit immer noch einnimmt, taugt nach Ansicht der politischen Führung nichts oder ist zumindest stark unzureichend. Das Ziel  „eine einsatzfähige, moderne und bezahlbare Bundeswehr“ ist offensichtlich nicht erreicht. Das, was die Wehrstrukturkommission 2000 festgestellt hat, trifft offensichtlich heute noch zu: „ In ihrer heutigen Struktur hat die Bundeswehr keine Zukunft. Die Wehrform produziert zu große Personalumfänge bei gleichzeitig zu schwachen Einsatzkräften. Veraltetes Material schmälert die Einsatzfähigkeit und treibt die Betriebskosten in die Höhe. Die derzeitigen Haushaltsansätze erlauben in der heutigen Struktur und Wehrform keine hinreichende Modernisierung.“

Die Kommission des Jahres 2010 soll nun Vorschläge zur Straffung der Organisations- und Führungsstrukturen der Bundeswehr ausarbeiten. "Ziel ist es nicht, die Bundeswehr neu zu erfinden, sondern vorhandene Strukturen neu zu gestalten." und "Vor allem gilt es, das, was wir an personellen und finanziellen Ressourcen haben, optimal zu nutzen." Gab Verteidigungsminister zu Guttenberg der Weise-Kommission vor. Und er fügte noch hinzu: „Wir sind mittlerweile eine Armee im Auslandseinsatz aber wir haben teilweise Strukturen, die noch den Geist von vor 20, 25, 30 Jahren atmen.“

Ergebnisse der Arbeit einer Kommission sind in der Regel so gut wie die Vorgaben. Und da stellt sich die Frage, ob denn die im Koalitionsvertrag und vor dem Bundestag angekündigte herkulische Arbeit auf der bisher bekannten Grundlage zukunftstauglich geleistet werden kann.

Die bisher bekannten Vorgaben sind sehr vage - sicher bewusst, um Ergebnisse nicht über Gebühr zu beeinflussen. Aber wenn die heutigen Strukturen noch den Geist von vor 20, 25, 30 Jahren atmen, dann werden Korrekturen an den vorhandenen Strukturen nicht ausreichen. Und wenn die Bundeswehr den herausfordernden Aufgaben zurzeit nicht gerecht werden kann (siehe 10.11.2009), dann sind grundlegende Reformen erforderlich und nicht kosmetische Reparaturen. Wenn grundlegende Reformen erforderlich sind, dann braucht man dazu  konzeptionelle Vorstellungen, die bis in die Jahre 2020 und 2030 reichen. Solche  konzeptionellen Vorstellungen sind bisher nicht bekannt und es ist nur sehr diffus erkennbar, was genau die Politik von der Bundeswehr in der Zukunft konkret erwartet und wie solche Erwartungen zum Beispiel in ein europäisches Sicherheitskonzept und in absehbares Engagement der internationalen Staatengemeinschaft integriert werden sollen.

Und wenn an der allgemeinen Wehrpflicht, aber verkürzt auf eine Dienstzeit von sechs Monaten festgehalten werden und auch der Rahmen des Personalumfangs von rund 250 000 Soldaten und 75 000 Angehörigen der zivilen Wehrverwaltung beibehalten werden soll, wie der Minister in der Pressekonferenz andeutete, dann wird man den Geist von vor 20,25,30 Jahren nicht los werden.

Wenn der Minister den Geist von vor 20,25,30 Jahren tatsächlich loswerden will, dann muss er die Bundeswehr in großen Teilen „neu erfinden“ lassen, sonst kommt er im Hinblick auf die Einsatztauglichkeit der Bundeswehr nicht weit genug.

Für einen solchen mutigen und auch dringend erforderlichen Schritt reichen die derzeitigen Vorgaben nicht. Und die Bindungen an allgemeine Wehrpflicht mit einer zu kurzen Grundwehrdienstdauer sowie  Streitkräfteumfänge verhindern zukunftstaugliche Ergebnisse. Wenn die Bundeswehr so gründlich wie für die Einsatzfähigkeit erforderlich erneuert werden soll, dann müssen wir auch zu grundsätzlichen Änderungen bereit sein.

Änderungsbedarf gibt es zunächst für das Grundgesetz. Der Artikel 87 a sollte neu gefasst und der Einsatzrealität unserer Streitkräfte angepasst werden. Wenn man Verwaltungsstrukturen reformieren und Redundanzen abbauen will, dann muss der Artikel 87 b überprüft und geändert werden. In dem Zusammenhang sollte der Einsatz der Bundeswehr im Inneren zum Beispiel zur Terrorbekämpfung für die Zukunft entschieden und die entsprechenden Artikel im Grundgesetz geändert bzw. ergänzt werden.

Deutschland muss sich entscheiden, in welcher Größenordnung und in welcher Qualität es sich an zukünftigen Kriseninterventionen der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft beteiligen will. In dem Zusammenhang muss auch festgelegt werden, an wie vielen Interventionen wir uns mit welchen maximalen Kräfteumfängen gleichzeitig beteiligen können wollen. Und wir müssen natürlich entscheiden, in welchem Maße wir zu Landes- und Bündnisverteidigung befähigt bleiben wollen und welche Aufwuchsfähigkeit dafür erhalten werden muss.

Deutschland muss außerdem festlegen, in welchem Maß und in welcher Qualität es bereit ist, sich in andere bi- oder multinationale militärische Strukturen zu integrieren. In diesen Zusammenhängen müssen zukunftsfähige Vorstellungen zu Aufgabenteilungen im europäischen und im NATO-Rahmen und entsprechender Rüstungskooperation entwickelt werden.

Dann  ist auf der Grundlage einer ideologiefreien Kosten-Nutzen-Analyse zu entscheiden, ob an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten werden soll.  Wenn daran festgehalten werden soll, dann muss zwingend geprüft werden, ob es für die Bundeswehr und die Staatsbürger tatsächlich Sinn macht, den Grundwehrdienst auf 6 Monate zu reduzieren. Parteipolitisch orientierte Kompromisse sind keine tragfähige Grundlage für Reformen.

Sollte die Entscheidung für die Bundeswehr als zukünftige Berufsarmee fallen, dann muss auch die Kopplung der Berufssoldaten an den Beamtenstatus überprüft werden, denn ohne Entkopplung vom Beamtenstatus wird eine Reduzierung der Ämter und „Verschlankung“ der Stäbe nicht zufriedenstellend gelingen.

Wenn solche grundlegenden Arbeiten erledigt sind, können Überlegungen zum zukünftigen Streitkräfteumfang und in Folge Strukturüberlegungen angestellt werden. Danach kann man über die notwendigen Optimierungen von Abläufen und Verfahren nachdenken.

Ziel ist unverändert: eine einsatzfähige, moderne und bezahlbare Bundeswehr. Wenn die Struktur-, Ausrüstungs- und Ausbildungsmängel bei der Bundeswehr so gravierend sind, wie sie vom Minister dargestellt und im Zusammenhang mit unserem Afghanistanengagement öffentlich diskutiert werden, dann sollte eine wirkliche und nachhaltige Reform angestoßen werden, auch wenn das politisch mit sehr vielen tiefgreifenden Auseinandersetzungen verbunden sein wird.

Die Bundeswehr wird nicht erst seit 2000 transformiert, sondern seit der Vereinigung offenbar unzureichend ständig umstrukturiert. Die Zeit ist reif für eine wirklich zukunftsorientierte Reform. Eine letzte Operation erträgt der Patient noch, wenn ihm glaubhaft Aussicht auf Genesung gemacht wird!

 

(14.04.2010)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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