Bundeswehrreform light?
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Bundeswehrreform light? (13.09.2010)

 

Der Generalinspekteur hat in der 35. Woche dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages Überlegungen zur Bundeswehrreform vorgetragen und einen Bericht zum Prüfauftrag aus der Kabinettsklausur vom 07.Juni 2010 übergeben. Nachdem vorab bekannt gewordene Informationsbruchstücke schon vielstimmig und ziemlich flach öffentlich diskutiert worden sind, ist es gut, dass das Parlament nun vom Fachmann informiert wurde.

Der Generalinspekteur muss überzeugend vorgetragen haben, denn man hört keine kritischen Stimmen, nicht einmal von der Opposition. Der Bericht ist inhaltsreich und im besten Ministerialdeutsch verfasst. Die „Experten“ haben jetzt eine umfassende gemeinsame Diskussionsgrundlage.

Bisher konnte man nur sehr allgemein ableiten, dass den Strukturüberlegungen die sicherheitspolitischen Grundlagen fehlen. Der Bericht des Generalinspekteurs legt nun offen, dass es sehr wohl die Kapitel "Sicherheits- und Verteidigungspolitische Rahmenbedingungen", "Anforderungen an das Leistungsspektrum der Streitkräfte der Zukunft" und "Zielvorgabe für die Streitkräfte der Zukunft" gibt, es fehlen aber konkrete, in die Zukunft gerichtete Aussagen und Parameter, die als sicherheitspolitische Messlatte für die Bewertung der Strukturüberlegungen herangezogen werden könnten.

Zunächst einmal beziehen sich alle Überlegungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands auf die Werteordnung des Grundgesetzes und auf unsere Verpflichtungen, als gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen. Die daraus abzuleitenden Sicherheitsinteressen sind dem Weißbuch von 2006 entnommen. Demnach ist es Ziel, Frieden, Freiheit und Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Und dann heißt es: „Die Verwirklichung dieser Ziele und die Wahrung unserer Interessen erfordert eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der sicherheitspolitischen Instrumente.“ An dieser kontinuierlichen Überprüfung hat es bisher gefehlt, daher konnten die sicherheitspolitischen Instrumente auch nicht angepasst werden und deswegen sind die Streitkräfte auch derzeit nicht in der Lage, die Zahl der durchhaltefähig im Einsatz befindlichen Soldaten deutlich über 7.000 zu erhöhen. Und festzuhalten bleibt auch, dass die veralteten Aussagen des Weißbuches von 2006 keine tragfähige sicherheitspolitische Grundlage für die Reform der Strukturen der Bundeswehr der Zukunft sind.

Im Kapitel zu sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen wird unter anderem das multidimensionale Bedrohungsspektrum angesprochen und die Notwendigkeit, Konflikte auf Distanz zu halten. Daraus folgert man, dass der Begriff der Verteidigung politisch umfassender definiert werden muss und dass deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik weit vorausschauend zu gestalten sei. Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, trotzdem wurde bisher weder der Begriff Verteidigung der veränderten politischen Lage entsprechend umfassender definiert noch Sicherheitspolitik vorausschauend gestaltet. Hier spricht der Generalinspekteur eklatante Versäumnisse des Parlamentes sowie der Großen Koalition und auch der heutigen Regierung klar an.

Die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen werden natürlich stark beeinflusst durch NATO, EU und die multinationale Zusammenarbeit. Aber hier gibt es bisher auch keine Parameter, die als Grundlage für Zukunftsgestaltung taugen. Die NATO passt ihre Strategie von 1999 gerade den neuen Gegebenheiten an und das neue strategische Konzept soll vor allem dazu dienen, Konsens über zukünftige Aufgaben des Bündnisses zu finden. Die veraltete Europäische Sicherheitsstrategie von 2003 bleibt weiterhin Grundlage und für die multinationale Zusammenarbeit will man nun vorrangig Aufgaben identifizieren, die gegebenenfalls künftig gemeinsam mit Verbündeten wahrgenommen werden können. Auch hier bieten sich keine oder nur veraltete Grundlagen für die sicherheitspolitische Bewertung der Strukturmodelle an.

Weil deutsche Sicherheitspolitik in unserer dynamischen Welt eben nicht dynamisch und zukunftsorientiert gestaltet wird, besteht der Auftrag der Bundeswehr aus dem veralteten Weißbuch 2006 unverändert fort. Die für Sicherheitspolitik verantwortlichen Politiker haben Pflichten in der vorausschauenden Gestaltung schlicht und einfach nicht erfüllt. Deswegen gibt es auch noch keine neue Konzeption der Bundeswehr mit einer neuen Nationalen Zielvorgabe für die Einsätze der Bundeswehr, obwohl man weiß, dass die Annahmen der Konzeption von 2004 sich als teilweise falsch oder unzutreffend erwiesen haben.

Die grundlegende und sehr einschneidende Reform soll die Bundeswehr befähigen, den sicherheitspolitischen Herausforderungen der nächsten zehn bis zwanzig Jahre gewachsen zu sein. Legislative und Exekutive haben bisher die sicherheitspolitischen Grundlagen für eine zukunftsorientierte Strukturplanung der Bundeswehr nicht geschaffen. Der hohe politische Zeitdruck hat dazu geführt, dass hauptsächlich Modellrechnungen mit sicherheitspolitischem Mantel angestellt wurden. Wenn die Grundlagen für Planungen veraltet sind und deswegen teilweise nicht stimmen, dann kann das Ergebnis auch nicht stimmen. Das Prinzip Hoffnung hilft in der Planung nicht weiter.

Man muss aber für die Soldaten und zivilen Mitarbeiter hoffen, dass die reformierte Bundeswehr nicht schon nach kurzer Zeit – mit Blick auf die Realität und unter Anlegen dann verfügbarer Maßeinheiten - gewogen und für zu leicht befunden wird.

(13.09.2010)

 

 

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