Der erste Mann im Staate
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Der erste Mann im Staate

 

Der Bundespräsident ist – nach eigenem Bekunden – offen und notfalls unbequem, er mischt sich verstärkt ein, vor allem aber will er kein Unterschriftenautomat sein.

Und der Bundespräsident setzt das, was er will, auch um. Er hat mehrfach Gesetze der Großen Koalition nicht gezeichnet, er ist kritisch und interventionsfreudig. Das deutsche Volk mag das, die parteipolitischen Akteure im politischen Zirkus – auch die der CDU – sind gelegentlich pikiert, manche so verärgert, dass der Präsident auch zuweilen respektlos angegangen wird. So zum Beispiel im Fall Christian Klar.

Die Entscheidung gegen das Gnadengesuch des Terroristen und mehrfachen Mörders Klar hat sich der Präsident nicht leicht gemacht. Von der öffentlichen Debatte stark unter Druck gesetzt – immerhin geht es ja auch für den Bundespräsidenten um sehr viel – hat er trotzdem in aller Ruhe alle Argumente geprüft, darüber hinaus zahlreiche Gespräche mit Hinterbliebenen der Opfer geführt und Anfang Mai 2007 abschließend mit Herrn Klar gesprochen. Wahrlich kein „Unterschriftenautomat“!

Manchmal macht es aber auch die Gesetzeslage schwierig, „quasi automatische“ Unterschriften zu vermeiden.

In einem Schreiben ohne Datum, eingegangen im Bundespräsidialamt am 24. Januar 2006, bittet Verteidigungsminister Jung den Bundespräsidenten um die Versetzung der Generale Dieter und Ruwe in den einstweiligen Ruhestand, unter anderem sehr knapp begründet mit „Vertrauensverlust“.
In einem persönlichen Gespräch, zu dem der Bundespräsident – wohl durch Medienberichterstattung irritiert - am 26.Januar 2006 gebeten hatte, bestätigt Minister Jung den Akten zufolge seine sehr knappen Darlegungen. Zusätzliche Gesichtspunkte und Argumente bringt er nicht vor. Die Präsidialbürokratie prüft formaljuristisch und stellt fest: „Rechtlich bestehen keine Bedenken, dem Antrag zu entsprechen.“ Das reicht dem Bundespräsidenten für die Unterschrift.

Das ist auch nicht wirklich zu beanstanden, denn nach
§ 50 Soldatengesetz kann der Bundespräsident die Berufsoffiziere vom Brigadegeneral aufwärts jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Dabei handelt der Bundespräsident auf den Hinweis des zuständigen Ministers, dass er das Vertrauen in den jeweiligen Offizier verloren hat, und stellt keine eigenen Recherchen an. Und dabei kommt es nach Auffassung des Bundespräsidialamtes für die Vorschrift des § 50 Soldatengesetz nicht darauf an, was zum Verlust des Vertrauens geführt hat. Vielmehr reiche es aus, dass der Vertrauensverlust als solcher geltend gemacht werde. Was für den Vertrauensverlust ausschlaggebend ist, sei irrelevant. Überspitzt heißt das – wie der Richter am Verwaltungsgericht Köln Paffrath sagte – dass es reicht, „wenn dem Minister die Nase des Generals nicht passt“ und der Minister gegenüber dem Bundespräsidenten Vertrauensverlust glaubhaft geltend macht. Das überschreitet aber dann ganz sicher die Grenzen der Willkür.

Wenn der Bundespräsident keine eigene Recherche anstellt, dann muss aber doch das, was zur Begründung des Antrages auf Anwendung des § 50 Soldatengesetz dem Staatsoberhaupt vorgetragen wird, wahr und richtig sein. Wie sonst soll der Bundespräsident sein pflichtgemäßes Ermessen willkür- und fehlerfrei
ausüben?

Die Akteneinsicht hat inzwischen ergeben, dass die im Antrag des Ministers dargelegten Gründe in mehrfacher Hinsicht nicht zutreffen.

Auf dieser fehlerhaften Grundlage konnte der Bundespräsident also nicht pflichtgemäß richtig und fehlerfrei ermessen.

Wenn Fehler gemacht werden, dann sollten sie korrigiert werden. Das gilt ebenenunabhängig und ist letztendlich nur Ausdruck verantwortungsvollen Handelns – insbesondere wenn es um Menschen geht.

Was liegt da näher, als sich vertrauensvoll an den zu wenden, der mit seiner Unterschrift die Personalmaßnahme verfügt hat? Den Mut zu diesem Brief (28.August2007) habe ich auch, weil ich der festen Überzeugung bin, dass der Bundespräsident in Kenntnis der Umstände und der Fehlerhaftigkeit des Antrages des Verteidigungsministers  vom Januar 2006 zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

Das Bundespräsidialamt bittet mich darauf hin am 27.September2007 um Verständnis dafür, dass sich der Herr Bundespräsident aus Gründen der Neutralität seines Amtes nicht zu einem schwebenden Verfahren äußert.

Hier irrt das Bundespräsidialamt m.E., denn der Bundespräsident ist in diesem Streit nicht neutral, sondern Partei. Er könnte – zusammen mit dem Bundesminister der Verteidigung - eine Korrektur der damaligen Entscheidung erwirken.

Mein diesbezügliches Schreiben (31.Oktober2007) an den Herrn Bundespräsidenten blieb ohne Antwort.

Dabei gibt es ein gutes Beispiel für den Mut eines Bundespräsidenten, zur Korrektur einer offenkundig falschen Entscheidung beizutragen.

Im dem in mancher Hinsicht vergleichbaren Fall des Generals a.D. Dr. Kießling im Jahr 1984 hatte der Bundesminister der Verteidigung – wenngleich unter dem Druck der Medien und des Parlaments (s. Bundestagsdrucksache 2/84) – selbst die gemachten Fehler eingestanden und dem Bundespräsidenten die Wiedereinstellung vorgeschlagen. Bundespräsident Carstens hat später dazu in einem Interview auf die Frage, ob die Berichterstattung „ eines irrenden oder schlampig informierten Ministers“ für die Entscheidung des Bundespräsidenten ausreiche, geantwortet:

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"Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Bundespräsident in einem solchen Fall keine eigenen Recherchen anstellen kann, es sei denn, es liegt offen zutage, dass ihm falsch berichtet worden ist. Die für mich entscheidende Frage war und ist, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Minister und dem General gestört war. Das hat mir der Minister in einem persönlichen Gespräch ... dargelegt. Dabei stützte er sich auf Erkenntnisse, die sich hinterher als unrichtig erwiesen haben.  ... Nachdem sich dann herausgestellt hatte, dass die Informationen unzutreffend waren, habe ich sehr gern daran mitgewirkt, General Kießling wieder zu ernennen und damit zu rehabilitieren. Dies ist sicherlich ein unbefriedigendes Schauspiel gewesen, aber doch insofern vertretbar, ..., als eine Entscheidung, die offenkundig falsch war, korrigiert worden ist."

(Carstens, Karl: Reden und Interviews, Bd. 5, S. 471)

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Es mag im Zusammenhang mit der Anwendung des § 50 des Soldatengesetzes nicht üblich sein, aber ein persönliches Gespräch des verantwortlichen Ministers – der sich dazu leider nicht in der Lage sah und wohl auch nicht den Mut dazu hatte – und dann, bzw. stattdessen des Herrn Bundespräsidenten mit den Betroffenen hätte nach meiner festen Überzeugung eine Fehlentscheidung verhindert.

Man darf gespannt sein, wie sich der Herr Bundespräsident, der notfalls unbequem sein und sich einmischen will, nach Abschluss der Verfahren in der Sache einlässt. Korrekturen erfordern immer Kraft !

(20. Januar 2008)

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