Dienstschluss
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Dienstschluss

 

 

Mein Vater, selbst Berufssoldat in der Wehrmacht und in der Bundeswehr, hat mir geraten – obwohl mit Leib und Seele Soldat, wenn auch nicht immer glücklich– „Geh´ drei Jahre zur Bundeswehr, lass´ dich zum Leutnant ausbilden, dann studierst du und wirst etwas Ordentliches.“ Mit diesem Rat wurde ich am 04. April 1966 Soldat in einem Fallschirmjägerbataillon.

 

Im Laufe meiner Ausbildung zum Offizier merkte ich, dass Fallschirmjägeroffizier das „Ordentliche“ für mich war und ich wurde Berufssoldat.

 

Auch als Berufssoldat steht man nicht jeden Morgen mit dem Gedanken an die Grundpflicht des Soldaten auf, aber treu dienen und ggf. auch tapfer sein zu müssen, prägt das Leben eines engagierten, wert-konservativen Offiziers, der seinen Beruf liebt und auch gerne Soldaten führt.

 

Soldaten kann man auf Dauer nur mit Erfolg führen, wenn man sie versteht, sie mag und die Soldaten das auch merken. Soldatische Führung ist nachhaltig nur mit gelebter Kameradschaft und dem für alle erkennbaren, ernsthaften Bemühen des militärischen Führers um vorbildliche Pflichterfüllung erfolgreich.Natürlich braucht man auch Glück. Glück hat nach Moltke auf Dauer nur der Tüchtige.

 

Es gibt viele gute Vorgesetzte in der Bundeswehr, sonst hätte sie auch nicht so konfliktarm über die letzten 50 Jahre ihren Auftrag erfüllen können.

 

Ich hatte das Glück, dass mein Dienst in den knapp 40 Jahren außerordentlich abwechslungsreich und hochinteressant, sehr fordernd sowie in hohem Maße erfüllend und verantwortungsvoll war. Dafür bin ich dem Dienstherrn dankbar. Ich hatte auch das Glück, dass meine Soldaten in aller Regel mit mir einverstanden waren und mich voll unterstützten. Meine Vorgesetzten waren mit mir offensichtlich zufrieden und förderten mich in immer größere Verantwortung. Das war sehr befriedigend und schön.

 

Wenn man Fallschirmjäger führen darf, als Gruppenführer, Zugführer, Kompaniechef, Bataillonskommandeur und Brigadekommandeur, dann hat man ein relativ leichtes Los gezogen, weil Fallschirmjäger in der Regel gute Soldaten sind, die leistungswillig, leistungsstark, diszipliniert und kameradschaftlich mit hoher Einsatzorientierung dienen.

 

Wenn man als erster Kommandeur und nationaler Befehlshaber ein deutsches Kontingent im UN-Einsatz in Ex-Jugoslawien führen darf und dann später für das Kommando Spezialkräfte (KSK) verantwortlich ist, das Kommando maßgeblich weiter aufbaut, in zwei „scharfen“ Einsätzen auf militärstrategischer Ebene, direkt dem Verteidigungsminister unterstellt, auf dem Balkan erfolgreich führen kann, dann macht das stolz und glücklich.

 

Dazu kommen die langjährige Verantwortung für Ausbildung von Soldaten und militärischen Führern bis hin als Direktor Lehre an der Führungsakademie, die intensive, teilweise maßgebliche ministerielle Mitarbeit an der Planung und Weiterentwicklung des Heeres, z. B. in der Funktion des Planungsstababteilungsleiters des Heeres sowie erfolgreiche Stabsverwendungen in der NATO und in der Bundeswehr bis hin zum Chef des Stabes einer Panzerdivision.

 

Fünf Jahre Verantwortung für Aufbau und Führung des neuen Organisationsbereiches Streitkräftebasis, mit immerhin 78000 militärischen und zivilen Mitarbeitern, zunächst als Chef des Stabes und Stellvertreter des Inspekteurs und dann zwei Jahre als Inspekteur der Streitkräftebasis und Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, krönen diesen soldatischen Lebensweg.

 

Wenn man den Dienst, die Aufbauarbeit und die erfolgreiche militärische Führungsleistung dieser 40 Jahre zusammen sieht, dann entsteht das Bild eines Lebenswerkes, auf das man selbst stolz ist und das andere durchaus zu würdigen wissen. Wie man der Laudatio entnehmen kann, habe ich mein Bundesverdienstkreuz nicht in Vorzimmern erdient.

 

Jeder Generalleutnant der Bundeswehr hat einen sehr fordernden, höchst verantwortungsvollen soldatischen Lebensweg hinter sich, auf dem er ständig seine besondere Leistungsfähigkeit und seine herausragenden Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen hatte. Jeder Generalleutnant muss sich im Laufe seiner Dienstzeit um die Bundeswehr und damit um die Bundesrepublik Deutschland sehr verdient gemacht haben, sonst wäre er nicht in sein höchst verantwortungsvolles Amt gefördert worden. Deswegen würdigt die Bundeswehr die soldatische Lebensleistung von Offizieren dieser Verantwortungsebene zum Abschied mit dem Großen Zapfenstreich. Das ist ehrenvoll und hat mit der Würde des Amtes wie auch mit der Tradition zu tun.

 

Wenn man dann eine Reihe von Zapfenstreichen miterlebt, kommt schon mal der Gedanke auf, welche Märsche man sich aus welchem Grund für die Serenade des eigenen Großen Zapfenstreiches wünschen würde.

 

Doch es soll anders kommen.

 

Im Urlaub auf Madeira ruft mich ein Spezialkräfte-Kamerad an. „Gemäß Spiegel-online läuft offensichtlich eine Kampagne gegen Sie, kann ich helfen?“ Das wirft aus den Urlaubswolken!

 

Im Internet lese ich, dass ich zusammen mit GenLt Ruwe auf Vorschlag von Staatssekretär Dr. W. „gefeuert“ werden soll, weil der Verteidigungs-minister angeblich das Vertrauen in uns verloren hat.

Ich halte das für eine Ente und warte vergebens auf ein Dementi sowie auf einen Minister, der mich und meine Familie vom öffentlichen Pranger holt. Der Generalinspekteur, den ich für einen guten Kameraden gehalten habe, lässt sich verleugnen und spricht kein Wort mit seinem Stellvertreter. Mitte der Woche deutet nach einem unbefriedigenden Telefongespräch mit dem Staatssekretär vieles darauf hin, dass die Entscheidungen wohl gefallen und die Urkunden für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von Dieter und Ruwe auf dem Weg zum Bundespräsidenten sind.

 

Unter solchen Umständen bringe ich den Urlaub zu Ende und fliege am 26. Januar 2006 zurück nach Deutschland.

 

Inzwischen habe ich am 27. Januar 2006, 16:15 Uhr einen Termin beim Minister. An sich ist das mein letzter Urlaubstag.

 

Auf dem Weg durch die verlassenen Flure des Verteidigungsministeriums zum Büro des Ministers treffe ich GenLt Ruwe mit seinem Adjutanten. Er hat seine Urkunde schon.

 

Ich melde mich beim Minister. Im Büro sind außerdem der „Verursacher“-Staatssekretär und der „Möchtegern-Pilatus“ Sch. . Alles wirkt etwas skurril, da die Herren Staatsbürger in Zivil, wohl von einer Trauerfeierlichkeit kommend, dunkel gekleidet sind. Der Minister kommt mit der Forschheit eines Terminators gleich zur Sache und verliest mit der mir gut vertrauten hessischen Färbung die Urkunde, dann bringt er überflüssigerweise auch noch zum Ausdruck, wie leid ihm das Ganze tut.

 

Die dargebotene Hand des Ministers schlage ich aus. Der eilfertig schon auf mich zukommende Staatssekretär stoppt deswegen auf halbem Wege. Der Generalinspekteur steht ziemlich unbeteiligt rum, der muss auch nicht beachtet werden.

 

Der Minister fragt, ob ich noch ein Gespräch führen wolle. Das lehne ich ab, denn er hat ja bisher in dieser Sache kein Wort mit mir gewechselt, ich weise allerdings darauf hin, dass ich die Dinge schriftlich zu regeln gedenke. Da flackern die Augen etwas ängstlich, denn als aufstrebender Bundespolitiker mit wenig Erfahrung in der „Szene“ kann er Ärger nicht gut gebrauchen.

 

Ich verabschiede mich ausschließlich vom Adjutanten und gehe.

 

Der Adjutant muss natürlich noch, mit den Tränen kämpfend, die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung für die Urkunde einfordern. Die Bürokratie hat zu stimmen, das versteht jeder.

 

Dienstschluss!

 

Ich habe noch einen Dienstwagen (berechtigt?), GenLt a.D. Ruwe hat keinen mehr. Also zwängen wir uns alle zusammen in den BMW und fahren nach Tegel.

 

Der Billigflieger von HLX ist am Freitag gerappelt voll. Wir haben Gangplätze ziemlich weit hinten, GenLt Ruwe sitzt 5 Plätze vor mir. Schräg rechts über den Gang sitzt ein Herr mittleren Alters und liest in einer der großen Tageszeitungen einen Bericht mit sicher bewusst unvorteilhaft ausgesuchten Bildern über die Entlassung der Generale Dieter und Ruwe.

 

Der Herr schaut erst intensiv in die Richtung Ruwe und dreht sich dann langsam und vorsichtig zu mir um. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und sage: „Ja, wir sind es, aber wir beißen nicht!“

 

Statt einen ehrenden und würdevollen Großen Zapfenstreich zum Ende meiner regulären Dienstzeit genießen zu können, werde ich vom Minister ungerecht, unfair und unanständig behandelt und muss nach dem vorgezogenen Dienstende aus meiner Perspektive einen „Großen Schurkenstreich“ verdauen.

 

(17. Juni 2007)

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