Die zweifelhafte Zukunft Afghanistans
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Die zweifelhafte Zukunft Afghanistans   (03.12.2009)

 

Bei der Konferenz der Generalstabschefs am 24.11.2009 bemühte Minister zu Guttenberg den chinesischen Strategen und Denker Sun Tzu: "Strategy without tactics is the slowest route to victory. Tactics without Strategy is the noise before defeat". Wie wahr!

Und heute entscheidet der Deutsche Bundestag über die Verlängerung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, für Afghanistan sicher mit der alten Höchstgrenze 4500 Soldaten.

Die Entscheidung wird getroffen ohne ein deutsches strategisches Konzept und ist allenfalls Grundlage für taktische Nachbesserungen, also für ein wenig "Lärm vor der Niederlage".

Präsident Obama hat sich um einen neuen strategischen Ansatz für Afghanistan bemüht.

Aufstockung der amerikanischen Truppen auf ca. 100 000 Soldaten und militärische Eskalation mit dem Ziel, den Krieg bis Juli 2011 erfolgreich zu beenden. Von einem "comprehensive approach" im Sinne von militärischer Eskalation im Einklang mit verstärkter ziviler Hilfe, forciertem Aufbau und intensivierter Unterstützung bei der Bekämpfung von Korruption und Drogenanbau ist in der West Point-Rede nichts Wesentliches zu hören. Präsident Obama legt den Schwerpunkt offensichtlich sowie sehr eindeutig und weitgehend auf bestmögliche Zerschlagung der Talibanstrukturen und fordert dafür auch mehr Engagement und Truppen der Alliierten. Diese strategische Idee ist zumindest im Ansatz an der Realität orientiert, denn bis Juli 2011 ist allenfalls die Zerschlagung eines Teils der Taliban zu erreichen, nicht aber ein Bruchteil der ehemaligen Zielsetzungen im Zusammenhang mit Demokratie und Freiheit für Afghanistan.

Deutschland nun bessert allenfalls auf der Grundlage der langen Mängelliste des ehemaligen Kommandeurs Regionalkommando Nord etwas nach und vertagt Entscheidungen bis nach der Strategiekonferenz der NATO am 28. Januar 2010 in London. Da wir bisher kein strategisches Konzept für Afghanistan haben, da wir offenbar als drittgrößter Truppensteller keine deutschen strategischen Vorstellungen in die Erarbeitung der neuen Obama-Strategie eingebracht haben, scheint der Verdacht begründet, dass wir auch ohne den Entwurf eines deutschen strategischen Konzeptes an der Strategie-Konferenz in London teilnehmen werden. Wir werden uns mit wohlklingenden Begriffen wie "selbsttragende Sicherheit" und dem vielstimmigen Ruf nach einer "Exit-Strategie" begnügen.

Bisher hat die Kanzlerin das "kraftvolle Signal" Obamas begrüßt. Aber entspricht denn dieser strategische Ansatz überhaupt unseren bisher in griffigen Schlagworten wie "Übergabe in Verantwortung" und "vernetzter Ansatz" gefassten deutschen Vorstellungen?

Der Gesamtlage in Afghanistan entspricht die Obama-Strategie jedenfalls nicht!

Afghanistan ist entsprechend einer Studie auf der Grundlage von Aufzeichnungen der Weltbank der korrupteste Staat nach Somalia. Die Korruption wirkt sich sehr stark in die Regierung Karsai und die staatlichen Strukturen hinein aus und hat die afghanische Gesellschaft durchsetzt. Korruption ist in diesem Land relativ normal und von weiten Teilen der Bevölkerung auch als normal akzeptiert und praktiziert.

Afghanistan ist der größte Lieferant harter Drogen für die westlichen Märkte. Drogenanbau ist die wichtigste Geldquelle für die Erweiterung der Terroristenstrukturen sowie für erfolgreiche Korruption und hat sich insbesondere im Norden des Landes ausgebreitet. Ohne eine erfolgreiche Bekämpfung des Drogenanbaus, bzw. ohne Aufbau von Kompensation und alternativem Lebensunterhalt für die Mohnbauern wird es keine erfolgreiche Bekämpfung der Korruption geben.

Wenn die Korruption nicht erfolgreich bekämpft und die Geldquellen der Warlords nicht ausgetrocknet werden, dann werden auch die mit viel Mühe, Aufwand und Kosten ausgebildeten Polizisten der Afghan National Police (ANP) und Soldaten der Afghan National Army (ANA) für eine Handvoll Dollar mehr weiterhin in großer Zahl von den Warlords abgeworben. Das gelingt natürlich umso leichter, solange Polizisten und Soldaten nicht so hinreichend besoldet werden, dass sie nicht ursächlich korruptionsgefährdet sind.

Ohne erfolgreiche Bekämpfung von Korruption und Drogengeschäft wird den Taliban nicht der Boden entzogen und wird es keine selbsttragende Sicherheit geben. Ein solcher Erfolg kann sich außerdem aller Voraussicht und bisheriger Erfahrung nach erst viel später als Juli 2011 einstellen. Und in dem Zusammenhang reicht es nicht, von Herrn Karsai ein Konzept und messbare Erfolge bei der Bekämpfung der Hauptübel zu verlangen, insbesondere wenn man genau weiß, dass Karsai mit dieser Regierung und den vorhandenen, nicht tragfähigen Pseudostrukturen in überschaubarer Zeit keine messbaren größeren Erfolge erzielen kann.

Und da haben wir von Aufbauleistungen und von den heren, aber völlig unrealistischen Zielen demokratischer Strukturen, die eine nachhaltige selbsttragende Sicherheit  erst ermöglichen sollten, noch überhaupt nicht geredet.

Wenn wir uns also selbst ernst nehmen, wenn unser fast achtjähriges Engagement nicht vergeblich und der Tod unserer Soldaten nicht umsonst gewesen sein soll, wenn wir das Kanzler-Wort "Übergabe in Verantwortung" ernst nehmen, dann dürfen wir keine Zeit verlieren und müssen unverzüglich definieren, welche "Lage" in den unterschiedlichen Politikfeldern erreicht sein soll, um die Übergabe an die Afghanen in unseren Verantwortungsbereichen, und möglichst im Einklang mit den Alliierten, verantworten zu können.

Im Juli 2011 die Taliban für weitgehend besiegt zu erklären und abzuziehen, wird nicht reichen, jedenfalls nicht für unsere Selbstachtung.

Da Minister zu Guttenberg Sun Tzu verinnerlicht hat, wird er auf die Formulierung eines strategischen Konzeptes dringen.

 

(03.12.2009)

 

 


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