Diskussion Paragraph 50
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Diskussion des § 50 Soldatengesetz  (07.01.2009)

 

Für ca. 200 Generale der Bundeswehr ist der § 50 des Soldatengesetzes (SG) so etwas wie eine Geschäftsgrundlage. Dort heißt es:

„Der Bundespräsident kann die Berufsoffiziere vom Brigadegeneral ... an aufwärts jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen.“

Diese Vorschrift ist in Anlehnung und im Sinne des § 36 Bundesbeamtengesetz formuliert. Der Zweck des § 50 SG liegt demnach darin, die Amtsführung der Generale in bestmöglicher Übereinstimmung mit der Regierungspolitik zu halten und dazu deren Amtsstellen jederzeit umbesetzen zu können. Die Amtsführung in diesen herausgehobenen Positionen soll die Politik der Regierung nicht nur nicht behindern, sondern aktiv unterstützen. Die Regierung soll also jederzeit politisches Vertrauen in die Generale der Bundeswehr haben.

Soweit zum Sinn des § 50 SG. Dabei muss man sich allerdings grundsätzlich fragen, was denn den Gesetzgeber bewogen hat, diesen Paragraphen in Anlehnung an das Bundesbeamtengesetz im Soldatengesetz zu verankern. Denn Generale – ggf. mit Ausnahme des Generalinspekteurs – sind, anders als politische Spitzenbeamte, nicht aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit in die jeweilige Verantwortung gestellt und schon deswegen nicht mit „politischen Beamten“ gleichzusetzen.

Generale sind außerdem – wie alle anderen Soldaten - auch den Vorschriften des Soldatengesetzes unterworfen. Die dort festgelegten Pflichten wie die Grundpflicht des Soldaten (§7), die Pflicht zum Eintreten für die demokratische Grundordnung (§8), die Pflicht zum Gehorsam (§11), die Auflagen zur politischen Betätigung (§15) und andere Vorschriften mehr binden auch und - aufgrund ihrer Pflichten (§10) als herausgehobene Vorgesetzte – besonders die Generale in eine treue, auch der politischen Führung gegenüber loyale Pflichterfüllung im Rahmen unserer demokratischen Rechtsordnung. Das macht den § 50 SG überflüssig.

Misstrauen gegenüber der bewaffneten Macht aufgrund unserer teilweise unheilvollen Militärgeschichte mag der Grund für diese „Vorsichtsmaßnahme“ des Gesetzgebers gewesen sein. Die Generale der Bundeswehr haben dieses Misstrauen in der 50-jährigen Geschichte unserer Parlamentsarmee nicht gerechtfertigt. Die Anwendung des § 50 SG in seinem eigentlichen rechtlichen Sinn ist dementsprechend auf eine verschwindend geringe Anzahl von Fällen beschränkt.

Abseits seines eigentlichen Sinnes wird der § 50 SG allerdings durch die Bundeswehrführung genutzt, um zum Beispiel strukturelle Probleme im Personalaufbau der Bundeswehr zu lösen. Im Einvernehmen mit den Betroffenen kann der Bundespräsident auf Antrag des Ministers Generale in den einstweiligen Ruhestand versetzen, um z. B. die Personalstruktur einer verkleinerten Bundeswehr gesund zu halten. Diese Anwendung des § 50 SG entspricht zwar nicht der ratio legis, dient aber der Sache der Bundeswehr.

Unzweifelhaft gegen den Sinn des § 50 SG ist es aber meines Erachtens, wenn diese Vorschrift des Soldatengesetzes missbraucht wird, um z. B. zur Vermeidung eines Disziplinarverfahrens oder eines eventuell negativen Medieninteresses einen General aufgrund eines vermeintlichen Vertrauensverlustes „elegant“ aus dem Weg zu räumen.

Wenn einem General ein Dienstvergehen vorgeworfen wird, dann gilt auch für ihn die Wehrdisziplinarordnung. Der zuständige Disziplinarvorgesetzte – zum Beispiel der Minister – hat auch in einem solchen Fall nach § 32 WDO zu ermitteln und wird dann auch mit dem Betroffenen ein Gespräch führen, um sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Es gilt die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils und somit gibt es auch vor Abschluss der disziplinaren Ermittlungen keinen wirklichen Anlass für einen „Vertrauensverlust“. Der bloße Vorwurf eines Dienstvergehens darf also nicht als Grund für eine Versetzung eines Generals in den einstweiligen Ruhestand herhalten.

Wenn der Minister trotzdem bereits im Stadium disziplinarer Vorermittlungen einen Antrag auf Versetzung eines Generals in den einstweiligen Ruhestand an den Bundespräsidenten richtet, dann benutzt er den § 50 Soldatengesetz gegen seinen eigentlichen Sinn und verstößt gleichzeitig gegen die WDO.

Der § 50 Soldatengesetz räumt dem Bundespräsidenten in diesem Zusammenhang nach Auffassung der Verwaltungsgerichte einen weiten Ermessensspielraum ein; dabei dürfen lediglich die durch das Willkürverbot gezogenen Grenzen nicht überschritten werden. Für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundespräsidenten kommt es dann nur darauf an, ob nach seiner Einschätzung auf Seiten des Ministers ein Vertrauensverlust vorliegt.

Da der Bundespräsident keine eigene Recherche anstellt aber natürlich gehalten ist, fehler- und willkürfrei zu ermessen, ist er darauf angewiesen, dass der Antrag des Ministers eine zutreffende Tatsachen-Grundlage für seine Entscheidung schafft. Wenn der Antrag des Ministers in mehrfacher Hinsicht unwahr und fehlerhaft ist, kann der Bundespräsident nicht fehler- und willkürfrei entscheiden.

Zugrundeliegende Sachverhalte sind aber – auch wenn sie falsch und fehlerhaft sind – für das Verwaltungsgericht Köln nicht entscheidungsrelevant. Dem Gericht kommt es allein darauf an, dass der Minister plausibel macht, dass er das Vertrauen verloren hat und der Bundespräsident das glaubt. Deswegen kann das Gericht auch formulieren:

„Dabei ist das Vertrauen nicht nur bei abweichenden politischen Ansichten, sondern auch dann gestört, wenn die Regierung bzw. der Minister Zweifel daran hegt, dass die fachliche und persönliche Eignung des Soldaten, seine Amtstätigkeit oder auch nur sein außerdienstliches Verhalten den höchstmöglichen Grad einer zielstrebigen, wirkungsvollen Zusammenarbeit im Sinne der von ihr verfolgten Politik gewährleistet. Solche Zweifel können auch durch Unwägbarkeiten, sog. Imponderabilien, veranlasst sein, die nicht stets genau zu umreißen sind und deren Offenlegung im einzelnen nicht immer im Sinne der gesetzlichen Regelung liegt. Der zugrundeliegende Sachverhalt muss also nicht aufgrund tatsächlicher Umstände feststehen. Ein schuldhaftes oder auch nur objektiv pflichtwidriges Verhalten wird ebenso nicht vorausgesetzt. Ebenso wenig, dass dem Soldaten schlechte Arbeit unterstellt wird. Die Maßnahme stellt keine Disqualifizierung des Soldaten dar, sie ist ausschließlich eine dienstrechtliche Maßnahme im Interesse der politischen Führung.“

 

Wenn der § 50 Soldatengesetz so ausgelegt wird, dann reicht es möglicherweise tatsächlich, wie es der Richter Paffrath in einer Verhandlung am 21.12.2007 ausführte, „dass dem Minister Ihre Nase nicht passt!“

Wenn dieses Verständnis vom § 50 Soldatengesetz Grundlage auch für zukünftige Gerichtsurteile – bewusst nicht Rechtsprechung - wird, dann sind dem Missbrauch und der willkürlichen Anwendung auf der Grundlage von „Unwägbarkeiten“ und „Imponderabilien“ Tür und Tor geöffnet.

Wenn der zugrundeliegende Sachverhalt nicht stimmen muss und dem Bundespräsidenten auch „in inhaltlicher Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt“ ist, dann reicht es, wenn ein ggf. vorgeschobener oder „gefühlter Vertrauensverlust“ des Ministers artikuliert wird und der Bundespräsident den Gefühlen des Ministers glaubt. Ein solches Rechtsverständnis ist meines Erachtens gegen den Sinn des § 50 SG gerichtet. Es macht ca. 200 Generale der Bundeswehr zu möglichen Geiseln von Ministergefühlen und leistet möglicherweise einem großräumigen „Duckmäusertum“ im Hinblick auf vorauseilenden Gehorsam und parteipolitisches Wohlverhalten Vorschub.

Das passt nicht zur Führungsphilosophie der Inneren Führung, das ist nicht vereinbar mit unserem Verständnis vom Staatsbürger in Uniform und das passt auch nicht zum berechtigten Appell des Bundespräsidenten im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Führungsakademie:

Die Soldatinnen und Soldaten erwarten von ihren militärischen Führern auch Klartext nach ´oben` und ´außen` hin zu den außen- und verteidigungspolitisch Verantwortlichen, hin zur Öffentlichkeit.“

Generale, über denen ständig ein politisches Damoklesschwert hängt, werden dem also nur allzu berechtigten Appell des Herrn Bundespräsidenten in der Regel nicht gerecht werden wollen und können.

Der § 50 Soldatengesetz sollte abgeschafft oder zumindest so abgeändert werden, dass die Gefahr einer willkürlichen Nutzung nicht schon im Gesetz angelegt ist.

(07.01.2009)

 

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