Einsatz der Bundeswehr im Inneren
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Einsatz der Bundeswehr im Inneren (01.03.2010)

 

Der politische Kampf um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist geradezu eine unendliche Geschichte. Im Nachgang zum 11.09 2001 hatte die CDU das zu ihrem Thema gemacht, das von Innenminister Schäuble, laienhaft unterstützt durch Verteidigungsminister Jung, mit dem Ziel einer Grundgesetzänderung hartnäckig bis stur beackert wurde.

Ein dann zwischen den Spitzen von Union und SPD ausgehandelter Kompromiss im Oktober 2008 war allerdings am Widerstand von SPD-Abgeordneten gescheitert. Und nun ist Innenminister Thomas de Maizière offenbar von seinen Plänen abgerückt, das Grundgesetz für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren ändern zu wollen. Damit ist eine solche Grundgesetzänderung in dieser Legislaturperiode offensichtlich vom Tisch. Das ist auch gut so und vermeidet, mit Blick auf Bedenken in den Reihen des Koalitionspartners FDP, unnötigen zusätzlichen Streit.

Die Aufgabe der Bundeswehr ist die Gewährleistung der äußeren Sicherheit (Verteidigungsauftrag). Die Gewährleistung der inneren Sicherheit obliegt hingegen der Polizei. Bei einer Verwendung der Bundeswehr im Inneren außerhalb des Verteidigungsauftrags, ist zwischen einem Einsatz im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG und sonstigen Aktivitäten  zu unterscheiden. Solche Aktivitäten regelt bisher der Artikel 35 GG.

Dieser Grundgesetzartikel 35 sieht vor, dass die Bundeswehr lediglich bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen zur Unterstützung herangezogen werden kann. Zukünftig sollte die Bundesregierung auch für die "Bekämpfung besonders schwerer Unglücksfälle" den Einsatz deutscher Soldaten anordnen können. Diese Verfassungsänderung bezöge sich dann auf alle Notfälle auf deutschem Hoheitsgebiet, also auch in der Luft und in Küstennähe - allerdings nur, wenn die polizeilichen Mittel erkennbar nicht ausreichen.

Der jahrelange politische Streit ist damit nicht beendet, sondern er ist nur vertagt.

Da hilft eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr nun auch nicht mehr weiter. Diese Studie kommt zu Beginn des Jahres 2010 zum Ergebnis, dass die weitaus meisten Deutschen dafür sind, dass die Bundeswehr auch im Inland eingesetzt wird, um Terroranschläge zu verhindern. So sollen 71 Prozent der Befragten auch außerhalb eines Spannungs- oder Verteidigungsfalles einem Einsatz der Bundeswehr zum Schutz von Kernkraftwerken, Chemiewerken, Flughäfen, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Gebäuden uneingeschränkt zustimmen. Das stimmt nachdenklich. Denn das Grundgesetz hat ja Militär- und Polizeibefugnisse ganz bewusst klar getrennt.

Bei solchen Befragungsergebnissen muss die Frage erlaubt sein, ob denn den Befragten die Rahmenbedingungen und die möglichen Konsequenzen eines Einsatzes von Soldaten mit Kriegswaffen im Landesinneren bewusst sind, bzw. vor ihren Antworten bewusst gemacht wurden. Ich bezweifele das sehr stark.

Es geht beim Einsatz von Soldaten der Bundeswehr immerhin um Kriegswaffeneinsatz im Inneren, ohne erklärten „Spannungsfall“ oder „Kriegsfall“ und gegebenenfalls gegen Bundesbürger, bzw. Bundesbürger gefährdend. Man muss also fragen, was kann die Bundeswehr und was kann sie nicht?

Die Bundeswehr kann ein Objekt sichern, indem es zum „Militärischen Sicherheitsbereich“ erklärt wird und die Soldaten unter Anwendung des `Unmittelbarer Zwang-Gesetzes´(UZwGBw) auch Schusswaffen gebrauchen dürfen. Das ist eine einfache Lage, die problemarm zu bewältigen ist.

Kann die Bundeswehr bei Terrorgefahr aber eine vielbefahrene Brücke in Deutschland sichern? Theoretisch ja, denn die Ausbildung sieht solche Sicherungsaufgaben im Krieg vor und in den Einsatzländern beherrschen wir das Betreiben von Check-Points aus dem EffEff. Praktisch ergäben sich aber bei der Durchführung große Probleme. Auf welcher rechtlichen Grundlage kontrolliert die Bundeswehr Fahrzeuge und Personen? Welche Waffen werden eingesetzt mit welchem Ladezustand? Welchen Ausbildungsstand haben die Soldaten, welche rechtlichen Kenntnisse hat der verantwortliche Gruppenführer und welche rechtlichen Kenntnisse hat der Grundwehrdienstleistende oder gar der Wehrübende am Maschinengewehr?

Wer also gibt wann und unter welchen Umständen den Befehl „Feuer frei!“ auf ein voll besetztes Fahrzeug, das den Anweisungen nicht folgt und durchzufahren droht? Der Bundeswehr-Gruppenführer an der Brücke und der wehrpflichtige Obergefreite am MG sind für andere Aufgaben unter anderen Rahmenbedingungen ausgebildet, nicht für Polizeiaufgaben in schwierigen Rechtslagen. Deswegen ist es gefährlich und wohl auch fahrlässig zu glauben, das im Hinblick auf Innere Sicherheit zu „können“, was die Bundeswehr im Rahmen der Gewährleistung Äußerer Sicherheit bei Auslandseinsätzen auf der Grundlage von „Rules of Engagement“ tatsächlich kann.

Das gleiche gilt für den Schutz von Bahnhöfen.

Wie steht es mit der Forderung, die Bundeswehr möge – weil sie das vermeintlich am besten kann – An- und Abflugschneisen gefährdeter Flugplätze vor terroristischem Einsatz von schultergestützten Flugabwehrraketen schützen. Für den einen oder anderen Sicherheitspolitiker mag eine solche Forderung plausibel und gegebenenfalls sogar vernünftig klingen. Wie abstrakt und theoretisch allerdings eine solche Forderung ist, wird durch das Studium von Karten, Maßstab 1:50.000, deutlich. Wie breit und wie tief müssen An- und Abflugschneisen gesichert werden, um einen Terroreinsatz mit einer schultergestützten Flugabwehrrakete zu verhindern? Da kommt eine große Menge Quadratkilometer Sicherungsfläche zusammen!

Wie viele Kräfte werden bei einem 24-Stunden-Einsatz über mehrere Tage und Wochen gebunden sein? Die Erklärung der Areale zum „Militärischen Sicherheitsbereich“ ist aufgrund der Ausdehnung aber hauptsächlich wegen der dort befindlichen Infrastruktur und der dort lebenden Bürger nicht vorstellbar bzw. nicht möglich. Auf welcher Rechtsgrundlage erfüllen die Soldaten dort also ihren Dienst? Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen sie das Begehen und Befahren solcher Areale verhindern oder einschränken, was ist mit den Bauern, die dort ihre Felder bestellen, was ist mit den Familien, die dort wohnen, welche Rechte haben die Soldaten beim Durchsuchen von Liegenschaften, Fahrzeugen und Personen? Unter welchen Rahmenbedingungen ist der Einsatz von Kriegswaffen in einem solchen Fall gegebenenfalls „erhöhter Terrorgefährdung“ rechtmäßig? Das Beispiel zeigt, dass es nicht ausreicht, das Grundgesetz zu ändern und solche Problemstellungen abstrakt oder grundsätzlich zu diskutieren. Erst die Befassung mit der denkbaren Praxis des Kriegswaffeneinsatzes im Inneren vor Spannungs- oder Kriegsfall offenbart die wirklichen Probleme.

„Kann“ die Bundeswehr also im Hinblick auf die Gewährleistung der Inneren Sicherheit, was manche Politiker und offenbar eine Mehrheit der Bürger gerne von ihr fordern würden?

Sie kann es nicht, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, weil die Bundeswehr dafür nicht ausgerüstet und weil sie auch nicht dafür ausgebildet ist. Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit mögen nicht mehr trennscharf zu ziehen sein, Fakt ist aber, dass die dafür jeweils vorgesehenen Kräfte auf ihre Hauptaufgabe hin ausgerüstet und ausgebildet sind. Das kann man ändern, das braucht dann aber seine Zeit und entsprechende Mittel. Mit Grundwehrdienstleistenden und mit wehrübenden Reservisten sind – außer der Bewachung von Militärischen Sicherheitsbereichen - Unterstützungsaufgaben im Inneren mit Kriegswaffeneinsatz ohnehin aufgrund deren sehr unzureichenden Ausbildungsstandes nicht wahrzunehmen.

Die öffentliche Diskussion hat aber auch gezeigt, dass zum Teil zu theoretisch, zu abstrakt, zu grundsätzlich, häufig zu oberflächlich und zu stark an den jeweiligen Kapazitätsgrenzen sowie an knappen Finanzmitteln orientiert gedacht wird.

Dabei verlangt die Bewältigung neuer Gefahrenlagen mit qualitativ neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert, aber insbesondere die Bekämpfung des Terrorismus, eine zukunftsorientierte, qualitativ neue nationale Sicherheitsvorsorge, die nur durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zu erreichen ist.

Insgesamt brauchen wir eine gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur, die dann auch mit internationalen Strukturen zusammenarbeitsfähig ist. Es wird ein weiter, steiniger Weg zu gehen sein, bis eine solche Sicherheitsarchitektur geschaffen ist. Bis die Bundeswehr die Statik dieser Architektur deutlich verbessern kann, muss nicht nur die Verfassung geändert, sondern es müssen auch Ausführungsgesetze erlassen werden. Wichtig ist, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren legitimiert ist und die Soldaten die entsprechende Ausbildung sowie rechtliche Handlungssicherheit haben. So weit sind wir noch lange nicht.

Solange solche Voraussetzungen für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht gegeben sind, sollte Deutschland an seiner klaren und bewährten Sicherheitsstruktur festhalten und eine Vermischung militärischer und polizeilicher Aufgaben vermeiden.

(01.03.2010)

 

 

 

 

 

 

 

 

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