Einsatz im Inneren
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Einsatz der Bundeswehr im Inneren

 

 

Die Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit sind nicht mehr klar zu ziehen und Deutschland wird möglicherweise irgendwann Ziel eines Terroranschlages größeren Ausmaßes sein. Das Ausmaß eines solchen Anschlages kann durchaus so groß sein, dass die für die Gewährleistung der Inneren Sicherheit vorgesehenen Kräfte nicht ausreichen und die Bundeswehr Unterstützung leisten muss. In solchen Fällen kann und will die Bundeswehr heute auf der Grundlage Artikel 87 a und 35 des Grundgesetzes – also ohne Einsatz von Kriegsgerät - helfen. Die Streitkräfte haben das auch bei Katastrophen mehrfach erfolgreich unter Beweis gestellt.

Dieses Thema wird natürlich in diesen Tagen auch unter Militärs engagiert, und nicht nur auf die Aspekte Luft- und Seesicherheit begrenzt, diskutiert. Dabei vertrat ein Truppenführer des Heeres die Auffassung, dass „wir im Hinblick auf Innere Sicherheit an sich können, was Teile der Politiker von uns gerne fordern würden“, allerdings gäbe es dafür noch nicht die rechtlichen Grundlagen. Auf Nachfrage erläuterte er, dass die Bundeswehr im Auslandseinsatz ja erfolgreich Objekte sichere, Patrouillen durchführe, Check-Points betreibe etc. .

Stimmt das so? Ich bin der Auffassung, dass dieser Vergleich nicht zulässig ist. Auch wenn wir auf der Grundlage eines sogenannten „robusten Mandates“ in den Einsatzländern solche Aufgaben, die der Gewährleistung der Inneren Sicherheit auch bei uns in Deutschland dienen könnten, unter Nutzung von Kriegswaffen und Kriegsgerät erfolgreich ausführen, heißt das noch lange nicht, dass wir das auch in Deutschland als Bundeswehr „könnten“. Denn es geht immerhin um Kriegswaffeneinsatz im Inneren, ohne erklärten „Spannungsfall“ oder „Kriegsfall“ und gegebenenfalls gegen Bundesbürger bzw. Bundesbürger gefährdend.

Die Bundeswehr kann ein Objekt sichern, indem es zum „Militärischen Sicherheitsbereich“ erklärt wird und die Soldaten unter Anwendung des `Unmittelbarer Zwang-Gesetzes´(UZwGBw) auch Schusswaffen gebrauchen dürfen. Das ist eine einfache Lage, die problemarm zu bewältigen ist.

Kann die Bundeswehr bei Terrorgefahr aber eine vielbefahrene Brücke in Deutschland sichern? Theoretisch ja, denn die Ausbildung sieht solche Sicherungsaufgaben im Krieg vor und in den Einsatzländern beherrschen wir das Betreiben von Check-Points aus dem EffEff. Praktisch ergäben sich aber bei der Durchführung große Probleme.

Auf welcher rechtlichen Grundlage kontrolliert die Bundeswehr Fahrzeuge und Personen? Welche Waffen werden eingesetzt mit welchem Ladezustand? Welchen Ausbildungsstand haben die Soldaten, welche rechtlichen Kenntnisse hat der verantwortliche Gruppenführer und welche rechtlichen Kenntnisse hat der Grundwehrdienstleistende oder gar der Wehrübende am Maschinengewehr?

Wer also gibt wann und unter welchen Umständen den Befehl „Feuer frei!“ auf ein voll besetztes Fahrzeug, das den Anweisungen nicht folgt und durchzufahren droht?

Neulich wurde einmal mehr, wenn auch nur kurz, die „Allgemeine Dienstpflicht“ diskutiert und dabei auch erwogen, Dienstpflichtige auch in der Polizei dienen zu lassen. Die Stellungnahme der Polizeigewerkschaft lautete sinngemäß und eindeutig: Wir brauchen keine Dienstpflichtigen, wir sind eine Profi-Truppe. Das kann man nur allzu gut verstehen, denn bis ein Polizist eine Faustfeuerwaffe im Dienst führen darf, hat er drei Jahre intensive Ausbildung, dabei profunden Rechtsunterricht, hinter sich. Der Bundeswehr-Gruppenführer an der Brücke und der wehrpflichtige Obergefreite am MG sind für andere Aufgaben unter anderen Rahmenbedingungen ausgebildet, nicht für Polizeiaufgaben in schwierigen Rechtslagen. Deswegen ist es gefährlich zu vermitteln und wohl auch fahrlässig zu glauben, das im Hinblick auf Innere Sicherheit zu „können“, was die Bundeswehr im Rahmen der Gewährleistung Äußerer Sicherheit bei Auslandseinsätzen auf der Grundlage von „Rules of Engagement“ tatsächlich kann.

Ein anderes, gerne diskutiertes Beispiel für Einsatz im Inneren ist das Zeigen von Präsenz bewaffneter Soldaten in Fußgängerzonen, auf Bahnhöfen, bei Großveranstaltungen, um z. B. die Polizei zu entlasten oder Polizeikräfte zu verstärken. Erneut muss man fragen, welche Rechte solche mit Kriegswaffen eingesetzten Soldaten haben.

Zunächst einmal haben solche Soldaten „Jedermann-Rechte“ wie alle anderen Bürger auch und dürfen bei Gefahr im Verzug Straftaten mit angemessenen Mitteln verhindern. Bewaffnete Feldjäger der Bundeswehr haben beim Dienst in der Öffentlichkeit im übrigen auch keine weitergehenden Rechte zur Gewaltanwendung. Wenn die Bundeswehr also in der Vergangenheit zur Unterstützung unserer amerikanischen Verbündeten Feldjäger als Streifen in housing areas oder als Begleitpersonal bei Munitionstransporten eingesetzt hat, dann war an sich nur „showing the flag“ möglich.

Was ist aber, wenn der Streifenführer in der gut besuchten Fußgängerzone unter den Rahmenbedingungen „Erhöhte Terrorgefahr“ glaubt, einen Verdächtigen zu erkennen, von dem eine Gefahr für eine kleine Menschenansammlung ausgehen könnte? Welche Qualität hat sein Ausbildungsstand, wie handlungssicher ist er also, über welche Mittel – außer dem fertig geladenen Schnellfeuergewehr – verfügt er, um gegebenenfalls einen Anschlag angemessen zu verhindern? Wie sind seine Fernmeldeverbindungen zu seinen militärischen Vorgesetzten, wie sind seine und dessen Verbindungen zu Behörden der Inneren Sicherheit, die über weiterführende Informationen und ein aktuelles Lagebild verfügen, sind die technischen Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit überhaupt gegeben und wer gibt notfalls den Befehl zum Waffeneinsatz?

An sich sind nur zwei Möglichkeiten denkbar: entweder die militärische Streife ist deutlich und gefährlich überfordert oder sie ist zur Hilfspolizei ohne Gewaltanwendungsbefugnis degradiert. Beides darf die Bundeswehr meines Erachtens nicht wollen, weil es auf viele ernste Fragen keine – gegebenenfalls noch keine – tragfähigen Antworten gibt.

Die gesetzlichen Grundlagen für solche Einsätze werden schwierig zu schaffen sein. „Rules of Engagement (RoE)“ werden für den Einsatz von Kriegsgerät im Inneren Deutschlands nicht ausreichen. Funktionierende und sichere Fernmeldeverbindungen – über das Handy hinaus – sind derzeit zwischen Bundeswehr und Institutionen der Inneren Sicherheit auf Grund der unterschiedlichen technischen Parameter nicht gegeben. Es wird also zur Zeit sehr theoretisch und abstrakt – manchmal auch absurd – diskutiert.

Eine viel diskutierte „Lieblings“-Forderung von Verantwortlichen für Innere Sicherheit auf Länderebene an die Bundeswehr ist die nach Quantität und Qualität festgelegte und garantierte Unterstützungsleistung in Katastrophenfällen durch die Bundeswehr. Solche und ähnliche Forderungen sollen Ausgleich für teilweise eklatante Versäumnisse auf Länderebene im Hinblick auf Katastrophenschutz und Sicherheitsvorsorge schaffen oder das Sparen knapper Landesmittel ermöglichen.

In solchem Zusammenhang ist wiederholt gefordert worden, die Bundeswehr möge – weil sie das vermeintlich am besten kann – An- und Abflugschneisen gefährdeter Flugplätze vor terroristischem Einsatz von schultergestützten Flugabwehrraketen schützen. Für den einen oder anderen Sicherheitspolitiker mag eine solche Forderung plausibel und gegebenenfalls sogar vernünftig klingen. Wie abstrakt und theoretisch allerdings eine solche Forderung ist, wird durch das Studium von Karten, Maßstab 1:50.000, deutlich. Wie breit und wie tief müssen An- und Abflugschneisen gesichert werden, um einen erfolgreichen Terroreinsatz einer Flugabwehrrakete zu verhindern? Da kommt eine große Menge Quadratkilometer Sicherungsfläche zusammen!

Wie viele Kräfte werden bei einem 24-Stunden-Einsatz über mehrere Tage und Wochen gebunden sein? Die Erklärung der Areale zum „Militärischen Sicherheitsbereich“ ist aufgrund der Ausdehnung aber hauptsächlich wegen der dort befindlichen Infrastruktur und der dort lebenden Bürger nicht vorstellbar bzw. nicht möglich. Auf welcher Rechtsgrundlage erfüllen die Soldaten dort also ihren Dienst? Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen sie das Begehen und Befahren solcher Areale verhindern oder einschränken, was ist mit den Bauern, die dort ihre Felder bestellen, was ist mit den Familien, die dort wohnen, welche Rechte haben die Soldaten beim Durchsuchen von Liegenschaften, Fahrzeugen und Personen? Unter welchen Rahmenbedingungen ist der Einsatz von Kriegswaffen in einem solchen Fall gegebenenfalls „erhöhter Terrorgefährdung“ rechtmäßig? Das Beispiel zeigt, dass es nicht ausreicht, solche Problemstellungen abstrakt oder grundsätzlich zu diskutieren. Erst die Befassung mit der denkbaren Praxis des Kriegswaffeneinsatzes im Inneren vor Spannungs- oder Kriegsfall offenbart die wirklichen Probleme.

„Kann“ die Bundeswehr also im Hinblick auf die Gewährleistung der Inneren Sicherheit, was manche Politiker gerne von ihr fordern würden?

Sie kann es nicht, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, weil die Bundeswehr dafür nicht ausgerüstet und weil sie auch nicht dafür ausgebildet ist. Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit mögen nicht mehr trennscharf zu ziehen sein, Fakt ist aber, dass die dafür jeweils vorgesehenen Kräfte auf ihre Hauptaufgabe hin ausgerüstet und ausgebildet sind. Das kann man ändern, das braucht dann aber seine Zeit und entsprechende Mittel. Mit Grundwehrdienstleistenden und mit wehrübenden Reservisten sind –außer der Bewachung von Militärischen Sicherheitsbereichen - Unterstützungsaufgaben im Inneren mit Kriegswaffeneinsatz ohnehin aufgrund deren sehr unzureichenden Ausbildungsstandes nicht wahrzunehmen. Wenn außerdem Kräfte der Bundeswehr alarmplanmäßig für Aufgaben der Inneren Sicherheit vorgesehen werden sollen, dann wird man zukünftig unsere Freiheit an weniger „Hindukuschen“ verteidigen können. Denn wenn man Kräfte der „Äußeren Sicherheit“ so verplant, dann hat das einen vielfältigen und nicht geringen Preis.

Die nachvollziehbare öffentliche Diskussion zeigt aber auch, dass zum Teil zu theoretisch, zu abstrakt, zu grundsätzlich und zu stark an den jeweiligen Kapazitätsgrenzen und an knappen Finanzmitteln orientiert gedacht wird.

Dabei verlangt die Bewältigung neuer Gefahrenlagen mit qualitativ neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert, aber insbesondere die Bekämpfung des Terrorismus, eine zukunftsorientierte, qualitativ neue nationale Sicherheitsvorsorge, die nur durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zu erreichen ist.

Eine solche zukunftsorientierte nationale Sicherheitsvorsorge setzt zumindest einmal voraus, dass ein gesamtstaatliches und ressortübergreifendes Sicherheitsverständnis entwickelt wird. Darüber hinaus muss auf politisch-strategischer Ebene eine gesamtstaatliche Urteils- und Handlungskompetenz zur ressortgemeinsamen Bewältigung von Sicherheitsrisiken geschaffen werden, die über ein umfassendes gemeinsames Lagebild verfügt.

Außerdem muss eine ressortübergreifende politisch-strategische Führungseinrichtung etabliert werden, um Krisen und Katastrophen beherrschen zu können.

Ganz wichtig ist auch, dass die Führungsvorgänge und die technische Ausrüstung der zivilen und der militärischen Kräfte für die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben im Inneren kompatibel gemacht und weiterentwickelt werden, um effektive Zusammenarbeit auf operativer Ebene möglich zu machen.

Insgesamt brauchen wir eine gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur, die dann auch mit internationalen Strukturen zusammenarbeitsfähig ist.

Es wird ein weiter, steiniger Weg zu gehen sein, bis eine solche Sicherheitsarchitektur geschaffen ist. Bis die Bundeswehr die Statik dieser Architektur deutlich verbessern kann, müssen die Verfassung geändert und auch Ausführungsgesetze erlassen werden. Wichtig ist, dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren legitimiert ist und die Soldaten rechtliche Handlungssicherheit haben. So weit sind wir leider noch lange nicht.

Deswegen sollten die Soldaten der Bundeswehr auch zur Zeit noch nicht wollen, was sie nur vermeintlich können und erst dürfen, wenn für die Schaffung der erforderlichen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen die demokratischen Mehrheiten gefunden sind und Handlungssicherheit geschaffen ist.

Auf solcher Grundlage wird die Bundeswehr zum Schutz Deutschlands und seiner Bürger auch im Inneren einen effektiven Beitrag leisten wollen und können.

(13.10.2007)

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