Friedensgutachten 2010
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Friedensgutachten 2010 (20.05.2010)

 

 

Die unabhängige Tageszeitung "Generalanzeiger" beginnt unter der Überschrift "Katastrophale Bilanz" einen Kommentar zum Friedensgutachten 2010 http:/www.friedensgutachten.de/index.php/friedensgutachten-2010.html  mit der Feststellung: "Die fünf führenden Friedensforschungsinstitute haben der schwarz-gelben Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis für die deutsche Afghanistanpolitik ausgestellt." Diese `unabhängige und seriöse´ Feststellung trifft Herr Möhle auf der Grundlage der Aussage des Gutachtens: "Die Bilanz nach fast neun Jahren Afghanistan-Krieg ist katastrophal" und "Die bisherige Afghanistanpolitik ist gescheitert." . Da wünscht man sich die Schuldzuweisung des Generalanzeigers schon etwas ausgewogener, denn auch die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, bezeichnete das Gutachten als "schallende Ohrfeige für die Regierung Merkel", wo es doch um ein fast neunjähriges Afghanistanengagement geht und um die Aussage, dass es auch neun Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes der internationalen Staatengemeinschaft und der Regierung Karsai  nicht gelungen ist, außerhalb der Städte eine funktionierende Staatsstruktur aufzubauen.

Aber natürlich hat die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik der rot-grünen Regierung Schröder, der großen Koalition Merkel und der jetzigen christlich-liberalen Regierung erheblichen Anteil an der "katastrophalen Bilanz". 

Friedensforschungsinstitute haben den großen Vorteil, dass sie die Lage in Afghanistan - wohl gelegentlich etwas ideologiegefärbt - aber realistisch, ungeschminkt und ohne Rücksichtnahme auf Wahlen und Wahlbürger darstellen können. Deswegen haben diese Aussagen auch Gewicht. Die Friedensforscher haben allerdings auch keine reale Verantwortung vor Ort zu tragen und deswegen sind die jeweiligen Schlüsse kritisch zu hinterfragen.

Im Kern haben die Institute erhebliche Zweifel, ob sich die aufständischen Taliban zurückdrängen ließen und ein funktionsfähiger Staat entstehen könne. Sie glauben auch nicht an den Erfolg des von den USA und ihren Verbündeten nun eingeleiteten Kurswechsels in Afghanistan, der vorsieht, sowohl die Taliban zu bekämpfen und zu isolieren als auch die militärische Sicherheit in dem Land schrittweise in die Hände der Afghanen zu legen und im Gegenzug die Ausbildung von einheimischen Soldaten und Polizisten mittels "Partnering" zu verstärken.

 Allerdings wissen die Verfasser des Friedensgutachtens auch nicht, wie es erfolgversprechend weitergehen soll und geben deswegen  in der momentanen Lage keine eindeutigen Empfehlungen für das beste Vorgehen. "Umstritten ist, welche Option die am wenigsten schlechte ist", sagen sie. Das klingt wenig ermutigend. Wenn man keine Empfehlungen geben kann, wie es besser zu machen sei, dann kann die Diktion "katastrophal und verheerend" auch moderater sein.

Die Friedensforscher setzen auf Verhandlungsführung mit allen Konfliktparteien. Wenn man dauerhaften Frieden haben wolle, dann müsse man trotz ihrer menschenverachtenden Anschläge auch mit den Taliban in Verhandlungen treten. Zur Stabilisierung des Landes müsse der Westen traditionelle Machtstrukturen im Land und regionale Mächte stärker berücksichtigen. Das bedeute auch, Abstriche bei Demokratie- und Menschenrechtsstandards zu machen. Vorrangiges Ziel von Friedenspolitik müsse die nachhaltige Verbesserung der Sicherheit der Menschen in Afghanistan sein.

Auch wenn die Friedensforscher keine eindeutigen Empfehlungen abgeben, lassen sie es doch nicht bei der Kritik des Kurswechsels seit der Londoner Konferenz bewenden, denn sie formulieren auch Ziele, an denen sich die neue "Strategie" messen lassen muss: Schutz der Zivilbevölkerung, was sich an deutlich sinkenden Opferzahlen binnen zwölf Monaten feststellen lassen muss. Verminderung der Korruption, Reform des Wahl- und Parteigesetzes, Stärkung des Rechtswesens und Übernahme der Verantwortung durch afghanische Sicherheitskräfte in mindestens drei Provinzen bis Mitte 2011. Wenn solche Ziele nicht erreicht seien, dann wäre aus Sicht der Friedensforscher auch der Kurswechsel gescheitert.

Im Friedensgutachten wird kein schneller Abzug der Truppen der internationalen Gemeinschaft bzw. der Bundeswehr  gefordert, weil auch aus der Sicht der Forscher eine solche überstürzte Aktion die gesamte Region destabilisieren würde. Die Forscher befürworten auch eine verstärkte Anstrengung bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. Vorgeschlagen werden auch Gespräche und Verhandlungen unter afghanischer Regie über einen Waffenstillstand. Außerdem sind die Forscher der Auffassung, dass staatliche Strukturen bis in die Bezirke und Dörfer des weitläufigen und teilweise schwer zugänglichen Afghanistans geschaffen werden müssen.

Unterm Strich macht das Friedensgutachten 2010 im Hinblick auf Afghanistan  den Versuch,  kreative politische Maßnahmen aufzuzeigen, mit denen sich islamistische, Bürgerkrieg führende Taliban in politische Kontrahenten und später vielleicht Kooperationspartner verwandeln lassen. Vorrangiges Ziel ist die Verbesserung der Sicherheit der Menschen in Afghanistan.

Die Erfolgsaussichten solcher kreativen Ideen sind angesichts der augenblicklichen realen Lage zweifelhaft, insbesondere weil man sich fragen muss, wie es bei dem Ausmaß der Korruption, dem Bildungsstand der Bevölkerung und der unveränderten Bedeutung der Stammes- und Clan-Strukturen gelingen soll, in absehbarer Zeit stabile staatliche Strukturen bis in die entlegenen Dörfer zu etablieren.

Wenn die Sicherheit der Bevölkerung vorrangiges Ziel ist und die Erfolgsaussichten kreativer Ideen noch mit vielen Fragezeichen zu versehen sind, dann muss die Sicherheit der Bevölkerung durch Polizei und Militär der internationalen Gemeinschaft und zunehmend durch afghanische Sicherheitskräfte, flankiert durch massive Entwicklungshilfe, gewährleistet werden.  Dazu dient auch das ins Auge gefasste "Partnering". Da den Friedensforschern  konkrete Empfehlungen nicht möglich sind, bleibt zunächst nur die Möglichkeit, den nun eingeschlagenen Weg konsequent zu gehen und zu Erfolgen zu führen. Wichtig ist dabei der Hinweis der Forscher, dass man dabei Abstriche bei Demokratie- und Menschenrechtsstandards  in Kauf nehmen müsse, denn das lässt eine realistischere Lagebeurteilung zu.

Wichtig ist auch, dass die politisch Verantwortlichen das Gutachten ernst nehmen und diskutieren. Ganz wichtig ist, dass endlich konkrete Ziele formuliert werden, an denen Erfolge zu messen sind. Und am wichtigsten ist, dass angemessene Mittel zur erfolgreichen Zielerreichung bereitgestellt werden.

Es wird spannend werden, diese Anstrengungen im Zusammenhang mit den Einsparauflagen für den Verteidigungshaushalt zu beobachten.

(20.05.2010)

 

 

 

 

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