Geschmack von Freiheit
Kopfzeilenbild  
 
::

 ..

Zur Startseite:

.

www.hansheinrichdieter.de

 
 

Geschmack von Freiheit

 

 

Ein Kamerad aus den frühen Tagen meines Soldatendaseins hat zur Feier seines 60. Geburtstages eingeladen, die Feier unter das Thema "Geschmack von Freiheit" gestellt und uns um Geschmacksproben gebeten:

Freiheit ist keine einfache Speise, die Geschmack vermittelt, sondern findet sich auf einer Vielzahl von Speisekarten voller Menüs unterschiedlicher Restaurants, von der Frittenbude bis zum Sternerestaurant.

Schon deswegen ist es nicht einfach, den Geschmack der eigenen Freiheit nachempfindbar zu machen, insbesondere auch, weil wir alle wissen, dass sich der Geschmack mit dem älter werden ändert und in gut 60 Jahren ist für solche Änderungen viel Raum.

Freiheit hat auch in meinem Leben eine große Rolle gespielt und spielt sie noch! Und wir sind ja auch jung gewesen als Blumenkinder nach Freiheit riefen, der Muff von 1000 Jahren unter den Talaren wegzublasen war und Janis Joplin mit versoffener, bekiffter und verrauchter Stimme sang: „Freedom is just another word for nothing left to loose“. Oder eine andere Sängerin: „Freedom is a word I really use without thinking of the time we were in love“. Da stellt sich schon die Frage, ob wir damals im Hinblick auf das richtige Freiheitsverständnis stimmige Musik gehört haben. Und das ist ein Fingerzeig auf das falsche Freiheitsverständnis der 68er, das sich sehr nachteilig auf unsere Gesellschaft ausgewirkt hat.

Kant hat schon zwischen negativer „Freiheit von...“ und positiver Freiheit, „Freiheit zu...“ unterschieden. Sein Zeitzeuge Schiller griff das 1781 in „Die Räuber“ mit den Figuren Karl Moor, Entscheidung für die Tugend, und Franz Moor, Entscheidung für das Laster, auf. Wir hatten damals einen guten Deutschlehrer, der selbst mir diese Kategorien nahe gebracht hat.

In diesem Zusammenhang birgt schrankenlose Freiheit bis hin zum Laster Zerstörung in sich und hinterlässt in der Regel einen schlechten Nachgeschmack. Die innere Freiheit, mit dem Ziel verantwortlichen Lebens hingegen, gibt Kraft und ist wohlschmeckend.

Im Hinblick auf seine Freiheit muss der mündige Mensch sich also grundsätzlich entscheiden im Spektrum zwischen Laster und Tugend, Materie und Geist – bitter bis süß, fade bis gut gewürzt. Wenn man sich für Freiheit also bewusst entscheiden muss, dann setzt das eine gewisse Reife voraus.

Ich habe mich als junger Mann bewusst für eingeschränkte persönliche Freiheit entschieden, um das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes ggf. tapfer zu verteidigen und treu zu dienen. Und auch wenn Soldaten der Bundeswehr Staatsbürger in Uniform sind, bringt ein Berufsleben im Rahmen der Prinzipien von Befehl und Gehorsam teilweise erhebliche Einschränkungen mit sich.

Diese selbst gewählte, eingeschränkte Freiheit mit manchmal herbem Beigeschmack hat mein Leben über 40 Jahre bestimmt und geprägt, aber nicht beeinträchtigt. Gleiches gilt für die Entscheidung zur Ehe mit meiner Frau vor gut 37 Jahren und die bewusste Entscheidung für Kinder und Familie. Diese selbstangelegten Zügel beengen nicht, sie geben Richtung und Halt und sind für mich eine Bereicherung. Jeder Mensch muss für sich das richtige Maß an gezügeltem oder ungezügelten Leben finden. Das ist zwar mehr als eine Geschmackssache, hat aber auch mit Geschmack zu tun.

Die beruflich bedingte Einschränkung meiner Freiheit hat mich nicht belastet, denn erstens habe ich mich bewusst für die positive Zielsetzung entschieden und zweitens habe ich in diesem Rahmen immer mehr Verantwortung und Entscheidungsspielraum übertragen bekommen – also ein Zuwachs an positiver Freiheit. Dabei kann man auch einen herb-süßen Geschmack der Freiheit genießen, wo man es nicht unbedingt erwartet. Ich war 1995 der erste Nationale Befehlshaber und Kommandeur des deutschen Kontingentes im ehemaligen Jugoslawien. Ich hatte eine knappe Dienstanweisung und die Verantwortung für meine Soldaten im Einsatz in Reichweite serbischer Raketen. Es gab keine detaillierten Vorschriften und SOPs und Minister Rühe hatte mir gesagt: „Vor mir besucht Sie keiner und ich lasse mir Zeit“.

Ich hatte große aber ungegängelte Verantwortung für Leib und Leben meiner Soldaten und es war die Zeit der Massaker von Srebrenica und Zepa und trotzdem hatte ich in dieser Zeit den intensivsten Wohlgeschmack von Freiheit in meinem Berufsleben.

Drittens habe ich immer versucht, im Rahmen dieser selbstgewählten eingeschränkten Freiheit Freiräume zu schaffen und zu nutzen für eher hedonistische Freiheiten.

Knapp 1000 Fallschirm-Absprünge im freien Fall, bei denen man die Aerodynamik nutzend ansatzweise fliegen kann, herzerfrischende und den Kopf freipustende Fahrten mit einem leistungsstarken Motorrad auf anspruchsvollen Strecken in schöner Landschaft, lange Ausritte am frühen Morgen mit dem eigenen Pferd in freier Natur und Zigeunertouren mit der ganzen Familie durch Teile Europas, um nur einige Freiheitsgefühle zu beschreiben.

Dabei ist es interessant festzustellen, dass sich Freiheit mit Verantwortung und Freiheiten von Verantwortung wie kommunizierende Röhren verhalten.

Mit steigender formaler Verantwortung nimmt der Bedarf an engagierter und möglichst unabhängiger Wahrnehmung dieser Verantwortung mit freiem Kopf und aus freien Stücken zu und damit sinken die Möglichkeiten von Freiheitswahrnehmungen im eher hedonistischem Sinne und je mehr Libertinage, desto weniger taugt man für positive Freiheit.

Erst die Balance und Harmonie der Freiheitswahrnehmungen insgesamt verhelfen zu einem Geschmack feiner Würze.

Nun nach Beendigung meines Berufslebens muss ich den andersartigen Mix an Freiheiten in Balance bringen und harmonisch abstimmen wie einen guten Cocktail.

Voraussetzung für den Genuss dieses Freiheitscocktails sind Selbsterkenntnis, Selbstbewusstsein und starke Interessen.

Ich muss jetzt mir und anderen nichts mehr beweisen, unabhängig von auch spießigen Konventionen darf ich ganz ich sein und ich habe die Freiheit, nur das zu tun, was ich immer schon tun wollte und was mir Freude oder auch Spaß macht. So lässt sich Freiheit sehr gut aushalten und schmeckt am Ende trocken und doch würzig wie ein guter Rioja.

 

(10.10.2009)

 

 

 

Zurück zur Startseite:  www.hansheinrichdieter.de