Gute Absicht und schlechtes Resultat
Kopfzeilenbild  
 
:

 .

Zur Startseite:

.

www.hansheinrichdieter.de

 
 

Gute Absicht und schlechtes Resultat (27.07.2010)

 

 

Wenn man unter dieser Überschrift politische Ankündigung und realen Erfolg des deutschen Engagements in der Polizeiausbildung in Afghanistan untersucht, wird man möglicherweise der guten Arbeit der freiwilligen deutschen Beamten vor Ort nicht gerecht, wohl aber der deutschen Politik.

Die Geschichte der inzwischen achtjährigen deutschen Bemühungen um die Ausbildung afghanischer Polizisten ist unerfreulich.

Bei seinem ersten Besuch am Hindukusch Ende März 2010 gab der Bundesinnenminister dann auch unumwunden und ungewöhnlich ehrlich zu: „Das ist keine Erfolgsgeschichte.“

Dabei hält Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Polizeiausbildung in Afghanistan durch deutsche Polizeibeamte für „unverzichtbar“. Es handele sich um eine wichtige Aufgabe, bei der er auch eine Erfolgschance sehe, sagte de Maizière im Juni nach diesem ersten Besuch in Afghanistan vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages. Er habe hier „begründete Zuversicht“, doch eine „Garantie für den Erfolg“ gebe es nicht, fügte de Maiziere hinzu und wandte sich gegen überhöhte Erwartungen.

Die vielen Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit lassen sich nur schwer beheben und die aktuellen Probleme sowie die Herausforderungen der Zukunft sind immens, wenn man bis 2014 einen Großteil der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände legen will.

Was lief falsch? Deutschland hatte für den Polizeiaufbau in Afghanistan die Federführung übernommen. 2002 wurde hierzu das bilaterale Projekt German Police Project Team ins Leben gerufen. Die Erwartungen waren sehr hoch, die Anzahl verfügbarer Polizeiausbilder erreichte allerdings nie die zugesagten Größenordnungen, die Unterstützung der Partnernationen ließ zu wünschen übrig, das finanzielle Engagement war nicht ausreichend, die Bildungsvoraussetzungen der Polizeischüler wurden überschätzt, das Problem der Korruption hingegen wurde unterschätzt wie auch die Attraktivität der Abwerbeangebote der Warlords und Talibanführer, die immer eine Handvoll Dollar mehr zahlten.

Die Afghanen wie auch die internationale Gemeinschaft waren von den Ergebnissen des deutschen Engagements in der Polizeiausbildung stark enttäuscht. Weil sich nun der Polizeiaufbau aus vielen Gründen schwieriger gestaltete als zunächst gedacht, hat Berlin die Verantwortung gerne an die Europäische Union abgegeben. 2007 wurde deswegen das europäische Projekt EUPOL, an dem sich auch Deutschland beteiligt, gestartet. Auch dieses Engagement blieb bis heute weit hinter den Erwartungen zurück und kann durchaus als Misserfolg gewertet werden, weil aus den Fehlern der vergangenen Jahre zu wenig gelernt wurde und weil das Engagement aller beteiligten Nationen jeweils erneut deutlich hinter den politischen Zusagen zurückblieb.

Einige deutsche Zahlen machen das Problem deutlich. Von 2002 bis 2008 wurden aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes insgesamt über 100 Millionen Euro für den Polizeiaufbau in Afghanistan ausgegeben. Allein 2009 standen 53,7 Millionen Euro für Ausbildung, Infrastruktur und Ausstattungshilfe zur Verfügung. 2010 stellt Deutschland für den Aufbau der afghanischen Polizei 77 Millionen Euro bereit. Die Zahlen zeigen, dass Deutschland sich in der Zeit seiner Federführung finanziell viel zu wenig engagiert hat. Dadurch wurde die Polizei zu schlecht bezahlt, bis vor kurzem hat ein einfacher Polizist 80 Dollar pro Monat verdient, inzwischen sind es 200 Dollar. Die zu geringen finanziellen Mittel haben auch dazu geführt, dass die Ausrüstung der afghanischen Polizei bei weitem nicht auf dem modernen technischen Stand der Drogenschmuggler und der Taliban ist. Die Polizei hat auch zu wenig geschützte Fahrzeuge und zahlt deswegen einen hohen Blutzoll. Das macht den Polizistenberuf nicht gerade attraktiv. Die Ausstattung mit Handwaffen hat man deutscherseits verweigert, um einen möglichen Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt an die Taliban zu verhindern. Ein unbewaffneter Polizist ist am Hindukusch nicht respekteinflößend. Immerhin hat man 2008 zweitausend „Mann-Ausstattungen“, Körperschutz, Helme, Schutzschilde, Handschuhe, Schlagstöcke, Pfefferspray an die afghanische Polizei ausgeliefert.

Ein gravierendes Problem ist die zu geringe Zahl tatsächlich verfügbarer Polizeiausbilder vor Ort. Der Verteidigungsausschuss hat 2008 auf die Frage wie viele deutsche Beamte tatsächlich und aktuell mit der Polizeiausbildung am Hindukusch befasst seien, die Antwort erhalten, es seien 9 aus einem Trainerpool von 60 Beamten, die über das Jahr 2008 eingesetzt würden. Das war traurige Tatsache und hatte zur Folge, dass  die Ausbildung der afghanischen Polizei 2 Jahre hinter der Ausbildung der afghanischen Armee her hinkt und das nach sechs Jahren deutschen Polizeiengagements. Solche Fehlentwicklungen hat  allerdings nicht nur Deutschland zu verantworten, sondern die internationale Gemeinschaft insgesamt. Dabei ist den Amerikanern der geringste Vorwurf zu machen, die sich wie immer am stärksten engagieren. Aber solche Versäumnisse sind insgesamt nur schwer auszugleichen.

Im Januar 2010 fand in London die internationale Afghanistan-Konferenz statt. Die „Strategie“ wurde gewechselt, die zivilen Anstrengungen sollten gestärkt werden und Vorrang haben, es sollte mehr in den Polizeiaufbau investiert werden, mehr Geld und mehr Personal. Und Kanzlerin Merkel hat das vor dem Bundestag auch bekräftigt: „Es geht darum, dass die afghanischen Sicherheitskräfte, sowohl die Polizei als auch die Armee, Schritt für Schritt in die Lage versetzt werden, die Verantwortung für ihr Land alleine zu übernehmen. Dazu sind noch erhebliche Ausbildungsanstrengungen notwendig.“

Inzwischen sollen 250 deutsche Polizisten in Nordafghanistan im Einsatz sein, 50 als Ausbilder im Rahmen EUPOL und seit Juli 2010 rund 200 deutsche Polizistinnen und Polizisten in German Police Project Teams (GPPT). Die Zahlen werden allerdings nirgendwo so richtig bestätigt. Das wundert nicht, denn weder die Deutschen noch die Europäer werden in der Lage sein, so viele Ausbilder zu stellen, wie den Afghanen versprochen worden waren. Kein deutscher Polizist kann für den Afghanistan-Einsatz dienstverpflichtet werden. Die Abstellung von Beamten ist Ländersache und nicht alle Landesinnenminister sind kooperativ. Die Stehzeit der Beamten im Einsatzland beträgt meist nur wenige Wochen. Dabei will die deutsche Polizei zukünftig im Jahr ca. 5000 afghanische Polizisten ausbilden und will dabei das neue Projekt „Focused district development“ verwirklichen, bei dem afghanische Polizisten während ihrer Arbeit in den Distrikten durch gemischte deutsche Teams aus Polizisten und Bundeswehr-Feldjägern begleitet werden. Herr Freiberg von der Polizeigewerkschaft allerdings argumentiert vehement gegen die Ausbildungsunterstützung und lehnt die Begleitung grundausgebildeter afghanischer Polizei-Einheiten in Krisengebiete ab, damit steht er nicht alleine. Der Bundesinnenminister sagt dann auch zu, dass der Einsatz sicher sei für die deutschen Polizisten, weil sie nur in gesicherte Gebiete gehen. Na dann wird aus dem Projekt wenig werden können.

Inzwischen fand in Kabul eine weitere internationale Afghanistan-Konferenz statt, auf der festgestellt werden sollte, welche Entwicklung Afghanistan seit London gemacht hat und es sollten Wegmarken festgelegt werden für eine allmähliche, regional orientierte Übergabe der Sicherheitsverantwortung an Afghanistan bis 2014. Die Konferenz war sehr kurz und hat kaum konkrete Ergebnisse gebracht. Insbesondere wurden die Fortschritte und Erfolge in der Polizeiausbildung und im Polizeiaufbau nicht bilanziert und publiziert. Das ist wohl auch nicht möglich, weil es wirkliche und nachhaltige Fortschritte noch nicht messbar gibt.

Solche Fortschritte werden sich auch nur schwer realisieren lassen, solange die Rahmenbedingungen noch unzureichend sind. Innerhalb der staatlichen afghanischen Strukturen gibt es weiterhin Personen, die mit dem Drogengeschäft verbunden sind. Die allgemein übliche Korruption wurde noch nicht erkennbar erfolgreich bekämpft. Die Taliban werden nicht nur vom pakistanischen Geheimdienst unterstützt, sondern haben auch Rückhalt in der Bevölkerung und weiten ihre Einflussbereiche, insbesondere auch in Nordafghanistan, deutlich aus. Ein deutscher Ausbilder bei EUPOL, Kabul, fasst die konkrete Lage für die Polizisten gut zusammen: „…wenn man die Situation mit der Lage von vor zwei, drei, vier Jahren vergleicht, läuft es schon deutlich besser. Aber es ist nach wie vor ein Verbesserungsbedarf da. Im Grunde genommen fehlt es an allem, die afghanische Polizei ist leider Gottes schlecht bezahlt, das heißt sie ist nach wie vor offen für Korruption. Ansonsten fehlt es an vielem, es fehlt an Ausstattung, es fehlt an vernünftigen Büros, es fehlt an vernünftigen Polizeistationen und es fehlt auch an Waffen."

Ob die internationale Gemeinschaft es schafft, wie geplant bis 2014 etwa 135.000 einsatzfähige afghanische Polizisten verfügbar machen zu können, ist trotz aller intensivierter Anstrengungen fraglich. Denn immer noch desertieren viele, oder sie wechseln die Seiten. 2009 starben nicht weniger als 1400 Polizisten durch Angriffe der Taliban, das ist alles andere als attraktiv.

Die wichtigste Voraussetzung für einen ab 2011 beginnenden Rückzug der Streitkräfte der internationalen Gemeinschaft ist eine halbwegs eigenständig und rechtsstaatlich funktionierende Polizei, die für die zivile Sicherheit nicht nur in Kabul sondern auch im Landesinneren sorgen kann. Nur unter solchen Bedingungen wird die von Kanzlerin Merkel vorgegebene „Übergabe in Verantwortung“ vollzogen werden können. Da wundert es schon, dass das deutsche Engagement in der Polizeiausbildung so wenig öffentliches Interesse erfährt, so stark eingeschränkt kritisch diskutiert wird und in den inzwischen vier Regierungserklärungen der christlich-liberalen Koalition so wenig Beachtung erfährt. Die Politik redet zwar vom neuen Vorrang des Zivilen vor dem Militärischen, begleitet das zivile Engagement aber nicht nachdrücklich. Die Polizeiausbildung in Afghanistan durch deutsche Polizeibeamte ist „unverzichtbar“, das sollte politischer Konsens werden.

Der Innenminister sagte die Wahrheit: Die Polizeiausbildung in Afghanistan „ist keine Erfolgsgeschichte“. Es muss aber eine Erfolgsgeschichte werden. Um solche wichtigen Dinge könnte sich unter anderem der Innenausschuss des deutschen Bundestages intensiver kümmern und dann das ganze Parlament.

(27.07.2010)

 

 

 

 

 

.

Zurück zur Startseite:  www.hansheinrichdieter.de