Keine Zeit und keine Ziele
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Keine Zeit und keine Ziele (23.07.2010)

 

Die Bundeswehr steht einmal mehr vor einer sehr großen Herausforderung - und wie immer unter höchstem Zeitdruck. Dabei geht es um nicht weniger als die Tatsachen, dass die Bundeswehr schon mit den aktuellen Einsatzverpflichtungen die Leistungsgrenze erreicht hat, Führungsstrukturen wenig effizient sind und die Verfahren den Erfordernissen des Einsatzes nicht mehr genügen. Und es geht auch darum, den sinnlosen Kompromiss des sechsmonatigen Grundwehrdienstes aus der Welt zu schaffen und eine vernünftige, den jungen Staatsbürgern zumutbare Lösung zu finden. Es geht also um nicht weniger als eine neue zukunftsfähige Struktur der Bundeswehr und die dafür erforderlichen Planungen brauchen vor allem zweierlei, Ziele und Zeit. Und daran mangelt es.

In der Bundeswehr lernt der Offiziersnachwuchs schon lange nicht mehr reiten. Die Erkenntnis, dass Pferde von vorne aufgezäumt werden müssen, geht da verloren. Die Pferde von vorne aufzäumen hieße, dass Deutschland definiert hat, welche Rolle es zukünftig als europäische Mittelmacht in Europa und der Welt spielen will. Daraus ließen sich politische Entscheidungen zu nationalen Zielvorgaben ableiten, was Deutschland militärisch in Zukunft leisten will und kann und welcher Beitrag Deutschlands als angemessen und gewichtig beurteilt wird, um auch zukünftig als guter und verlässlicher Partner der internationalen Gemeinschaft zu gelten. Solche nationalen Zielvorgaben gibt es derzeit nicht.

Auf der Grundlage nationaler Zielvorgaben müssten neue, zukunftstaugliche Verteidigungspolitische Richtlinien und eine neue zukunftsorientierte Konzeption der Bundeswehr entwickelt werden. Erst dann hätte man eine seriöse und tragfähige Grundlage für die Strukturplanung. Die alten verteidigungspolitischen und konzeptionellen Papiere taugen für stimmige zukunftstaugliche Antworten und damit als Grundlage für heutige Planungen nicht mehr.

Darüber hinaus gibt es die Weise-Kommission, die eher grundsätzliche Überlegungen zur zukünftigen Bundeswehr und ihrer Führungs- und Verwaltungsstrukturen anstellt und Eckpunkte für eine erfolgreiche Neuausrichtung der Bundeswehr vorschlagen soll. Die Ergebnisse der Kommission sollen doch wohl nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern in die Ausplanung der neuen Strukturen einfließen. Dann ist es weniger zweckmäßig, vorwiegend Finanzen-orientiert schon mal unter höchstem Zeitdruck auf gleich fünf Modellen und zusätzlichen Modellvarianten herum zu rechnen. Wesentlich sinnvoller erschiene eine intensive Einbindung von Fachleuten der Bundeswehr in die Kommissionsarbeit. Das würde ggf. jetzt Zeit kosten aber später erheblich Zeit sparen.

Es fehlt den derzeitigen Strukturplanungen an politischen Vorgaben, und so wie diese Planungen in den Medien kolportiert und auch von Politikern diskutiert werden, muss tatsächlich der Eindruck entstehen, dass die Pferde von hinten aufgezäumt werden. Da gibt es noch keine politische Entscheidung über die künftige Wehrform Deutschlands, aber die Allgemeine Wehrpflicht wird schon mal zur Disposition gestellt und zu einem Aspekt von Einsparüberlegungen gemacht, dabei meinten mehrere Akteure eigentlich die Aussetzung des Grundwehrdienstes. Da weiß Deutschland noch nicht, was aus der Landes- und vor allem auch der Bündnisverteidigung werden soll, aber es werden Modelle gerechnet und das Ergebnis zeigt dann, welche Fähigkeiten die Modelle nach Menge und Qualität vor dem Hintergrund der Finanz-Vorgaben jeweils zukünftig anbieten können. Und wenn es gut läuft, wird das finanzplanerisch am besten passende Modell dann mit den Ergebnissen der Weise-Kommission harmonisiert. Je nach Modellentscheidung wird später die nationale Zielvorgabe nachgearbeitet und nachgereicht. Und die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dann ab September der Bundesregierung und dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt und neue verteidigungspolitische Richtlinien und eine neue Konzeption der Bundeswehr werden aus Zeitgründen später passend geschrieben. Der einzige Vorteil dieses nachgestaffelten Erarbeitens von Planungsgrundlagen liegt in der besseren Möglichkeit, die neue NATO-Strategie berücksichtigen zu können. Das nenne ich die Pferde von hinten aufzäumen.

Angesichts solcher Planungen ohne tragfähiges politisches Ziel und hinreichende Zeit ist zu erwarten, dass die Qualität leidet. Unzureichende Qualität ist nicht zu akzeptieren.

Alarmierend ist auch, dass aufgrund des hohen Zeitdrucks Modelle und Modellvarianten für eine Bundeswehr nach Kassenlage gerechnet werden, obwohl es eine solche Bundeswehr doch nicht geben soll. Kanzlerin Merkel sagte bei der letzten Pressekonferenz den sehr wichtigen Satz: „Finanzen sind wichtig, aber Finanzen sind nicht die treibende Kraft einer Bundeswehr der Zukunft“. Na, also! Und Frau Merkel spricht von den "künftigen Aufgaben" der Bundeswehr, die ausschlaggebend seien. Die jüngsten politischen Aussagen passen demnach nicht zur aktuellen Planungsarbeit unter Maßgabe der Einsparzugeständnisse als strategischer Parameter.

Das sollte der Verteidigungsminister aufgreifen, den hohen Zeitdruck aus den Planungen nehmen - nicht etwa noch verschärfen - und nur das vorlegen, was sinnvoll an ersten Überlegungen - mit grob geschätzten Einsparmöglichkeiten - zu einer zukünftigen Bundeswehr vorgelegt werden kann, ohne die grundlegenden politischen Zielvorstellungen zu kennen. Darüber hinaus sollte der Minister in Zusammenarbeit mit dem Außenminister die fehlenden "nationalen Zielvorgaben", aus denen klar hervorgeht, was denn die "künftigen Aufgaben" der Streitkräfte genau sind, im Entwurf formulieren und für eine parlamentarische Entscheidung vorbereiten. Damit wäre eine erste gravierende Lücke geschlossen und die Planung in Teilen vom Kopf auf die Füße gestellt.

Der Generalinspekteur wird als erster militärischer Berater des Ministers und der Bundesregierung auf solche und andere qualitativen Planungsaspekte im Sinne der Bundeswehr und zum Wohl ihrer Soldaten sicher schon hingewiesen haben.

(23.07.2010)

 

 

 

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