Militärcourage
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Militärcourage (17.01.2010)

 

 

Die derzeitige Afghanistan-Diskussion in Deutschland ist für die Soldaten der Bundeswehr im Einsatz sicher nur sehr schwer zu ertragen.

Das Parlament liefert eine unsägliche und unwürdige Debatte in Nachbereitung des Luftschlages von Kunduz. Die SPD ist dabei, den Konsens der Demokraten hinsichtlich deutscher Auslandseinsätze aufzugeben. Die Aussagen des dürftigen verteidigungspolitischen Sprechers der SPD, Arnold, sind nicht sehr ernst zu nehmen, aber immerhin der Parteichef Gabriel verweigert sich der Aufstockung deutscher Kampftruppen, ohne dass er das allerdings begründet. Außenminister Westerwelle hat bisher im Vorfeld der Afghanistan-Konferenz in London ein eher unzureichendes sicherheitspolitisches Verständnis öffentlich gemacht und beharrt nun mannhaft auf der Position, dass er eine Aufstockung von deutschen Kampftruppen nicht mitträgt, ohne diese Blockadehaltung außenpolitisch zu begründen. Verteidigungsminister zu Guttenberg ist zur Zeit sehr vorsichtig und hält sich zunächst mit klaren und eindeutigen Aussagen zurück. Die Kanzlerin taktiert, will einerseits den Vizekanzler nicht verprellen und andererseits die SPD in den Konsens der Außen- und Sicherheitspolitik zurückholen. Das alles ist eine Gemengelage aus Innenpolitik, Parteipolitik und Populismus und hat mit der realen Lage in Afghanistan, mit der deutschen Verantwortung für den Norden Afghanistans, mit einem klaren Bekenntnis zum Parlamentsauftrag der deutschen Soldaten und mit dem von der Kanzlerin proklamierten Ziel einer "Übergabe in Verantwortung" nichts zu tun.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich deutlich verschlechtert. Die Taliban haben sich gerade im Raum Kunduz verstärkt und konzentriert, weil sie von den deutschen Truppen, auch aufgrund unzureichend starker Kampftruppen, nicht aktiv bekämpft werden können. Deutschland ist also mitverantwortlich für die schlechte Sicherheitslage im Raum Kundus. Der zuständige Gouverneur sagt in einem Interview klar und deutlich, worum es geht, er will wirksamen Schutz vor den mordenden Taliban. Das traut er den dort eingesetzten Soldaten der Bundeswehr nicht mehr zu. Die deutschen Soldaten haben in den Augen der Bevölkerung Afghanistans massiv an Ansehen verloren, und auch bei den Verbündeten. Solche Kritik trifft die Soldaten hart, verdient hat die herbe Kritik allerdings die deutsche Politik.

Die Politik hat die Lage über lange Zeit aus innenpolitischen Gründen beschönigt und das Parlament hat es versäumt, die politischen, juristischen und militärischen Rahmenbedingungen entsprechend der stark verschlechterten Sicherheitslage zu definieren und wirksame Maßnahmen ergreifen zu lassen, damit die Soldaten im Einsatz ihren Auftrag mit Aussicht auf besseren Erfolg erfüllen können, das heißt auch aktive und offensive Bekämpfung der Taliban. Das Parlament ist so seiner Verantwortung für die Parlamentsarmee Bundeswehr nicht gerecht geworden. Der ehemalige Generalinspekteur hat es offensichtlich versäumt, als erster militärischer Berater des Verteidigungsministers und der Regierung auf die eklatanten Defizite im Hinblick auf die Auftragserfüllung unter stark verschlechterten Sicherheitsbedingungen deutlich hinzuweisen und Abhilfe zu fordern. Man könnte auch sagen, Schneiderhan hat sich den Truppen im Einsatz gegenüber illoyal verhalten. Die Enttäuschung des Gouverneurs ist verständlich, die deutsche Politik ist hinsichtlich der realen Lage schwer verständlich.

Die reale Lage scheint aber offenbar nicht so wichtig und der Wunsch, die afghanische Bevölkerung vor den Taliban zu schützen, ist nicht so ausgeprägt wie das populistische Schielen auf die ca. 70 Prozent der Deutschen, die den Afghanistan-Einsatz inzwischen ablehnen.

Wenn schon der ehemalige Generalinspekteur keine Militärcourage gezeigt hat, dann ist es umso erfreulicher, dass Kommandeure im Einsatz Rückgrat zeigen und deutlich auf die Mängel hinweisen.

Der ehemalige Kommandeur des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Vollmer, hat auf dem Dienstweg dem "notorischen Schönfärber und Schönredner" Jung eine Liste mit deutlich über Hundert gravierenden Mängeln, darunter fehlende Kampftruppen, vorgelegt. Weil er wusste, dass man das Vertrauen dieses Ministers sehr schnell und dann auch seinen Beruf verlieren konnte, war das sehr mutig. Er hat aus Verantwortung für seine Soldaten und deren Auftragserfüllung zum Wohle der afghanischen Bevölkerung gehandelt.

Jetzt, zeitgerecht vor dem Abendessen der Koalitions-Partei-Vorsitzenden im Kanzleramt, haben sich der heutige Kommandeur Regionalkommando Nord, Brigadegeneral Leidenberger, und der Kommandeur in Kunduz, Oberst Rohrschneider, öffentlich zu Wort gemeldet und zusätzliche Kampftruppen gefordert. Rohrschneider sagte gegenüber dem ARD-Hörfunkstudio Südasien "zusätzliche Soldaten könnten die Zahl der Gefechte reduzieren... Und man wäre mit erhöhter Präsenz glaubwürdiger bei der Bevölkerung vor Ort – die sei nämlich nicht vom Erfolg des Einsatzes überzeugt." Und weil es dringend ist, hat der Kommandeur Nordafghanistan "mehr Truppen für sein Einsatzgebiet verlangt. Brigadegeneral Leidenberger begrüßte die massive Aufstockung der US-Einheiten im Bundeswehrgebiet - vorausgesetzt, sie unterstehen seinem Kommando." (Spiegel-online)

Das ist bemerkenswert mutig, denn normalerweise halten sich Offiziere stark zurück - auch wenn es sehr schwer fällt - da sie sich aus der überhitzten, aber nur unzureichend an der realen Lage orientierten, politischen Debatte in der Heimat heraushalten wollen. Außerdem gibt es ja eine Hierarchie der militärischen Verantwortung, der man als Offizier vertraut. Deswegen sind diese öffentlichen Forderungen durchaus als ein mutiger Hilferuf zu verstehen.

Dieser Hilferuf fällt aber in eine ganz wichtige politische Phase. Deutschland muss sich noch vor der Londoner Konferenz entweder klar und deutlich von der bisherigen Afghanistanpolitik verabschieden oder Deutschland muss sich klar und eindeutig zum Afghanistan-Engagement bekennen. Wenn sich Deutschland klar und eindeutig zu seinem Afghanistan-Engagement bekennt, dann heißt das

 

  • deutlich mehr Entwicklungshilfe
  • deutlich mehr Polizeiausbilder
  • deutlich verbesserte Rahmenbedingungen für die Auftragserfüllung unserer Soldaten, wie Rechtssicherheit, eindeutiger Auftrag auch zur aktiven Bekämpfung der Taliban, bessere Ausrüstung und hinreichend viele Soldaten - dabei auch mehr Kampftruppe - zur Erfüllung des Auftrages.

 

Vielleicht hilft ja der "Hilferuf" den deutschen Politikern, die derzeit stark deutlich werdenden Profilneurosen im kurzsichtigen politischen Ringen um Wählergunst zu überwinden und zu sachorientierter, an sicherheits- und außenpolitischer Handlungsfähigkeit und an unserer Verantwortung für die Verbesserung der Lebenssituation der afghanischen Bevölkerung orientierter Politik zurückzufinden.

Militärcourage sollte häufiger gezeigt werden und lohnt sich hoffentlich.

(17.01.2009)

 

 

 

 

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