Profilierung vor Verantwortung
Kopfzeilenbild  
 
:

 .

Zur Startseite:

.

www.hansheinrichdieter.de

 
 

 

Profilierung vor Verantwortung? (23.01.2010)

 

Wenige Tage vor der Londoner Afghanistan-Konferenz haben die Bürger von der Regierungskoalition sehr wenig darüber erfahren, wie Deutschland  fundiert an der Londoner Konferenz teilnehmen und  sich mit konstruktiven Vorschlägen zum Wohle der afghanischen Bevölkerung einbringen will . Die Bevölkerung hat noch keine Vorstellung davon, wie Deutschland in London nicht nur seinem politischen Gewicht sondern auch den bisher in Afghanistan eingesetzten deutschen Staatsbürgern endlich gerecht werden kann. Es  werden lediglich Zahlen zu möglichen Truppenaufstockungen  – aus dem Verteidigungsministerium ist die Zahl 1500 gesickert, Außenminister Westerwelle soll aber nur 300 zähneknirschend mittragen - kolportiert, die schnell  wieder dementiert  und von Minister zu Guttenberg  dann kommentiert werden: „Es ist weder auszuschließen , dass wir in den Grenzen bleiben können, als auch, dass wir darüber hinausgehen können. Es muss nur Sinn machen.“ So weit so klar. Und es werden weiterhin die bekannten Schlagworte bedient wie „Verstärkung der Ausbildung der afghanischen Polizei und des Militärs“ und „kein Enddatum für den Abzug“. Ein neues politisch-strategisches Gesamtkonzept für Afghanistan zeichnet sich bisher auch nicht in Umrissen ab. Die Regierungserklärung der Kanzlerin am 27.01.2010 lichtet da hoffentlich den Nebel ein wenig.

Die SPD hat dagegen eine eigene kleine „Afghanistan-Konferenz“ abgehalten und dankenswerterweise zur öffentlichen Diskussion beigetragen. Das SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen und der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil haben dazu ein sehr bemerkens- und lesenswertes Debattenpapier mit der Überschrift „Die Politik versagt in der Afghanistan-Debatte“ veröffentlicht. (Welt-online, 22.01.2010) Das Papier ist eine gute Diskussionsgrundlage, es reicht aber nicht weit genug – weder vor noch zurück.

Das Debattenpapier beklagt das Versagen der derzeitigen Politik, vergisst aber, auf das Versagen der Politik seit 2001 hinzuweisen. Es waren die Außenminister Fischer und Steinmeier, die ihrer federführenden Verantwortung für die Formulierung eines politisch-militärischen Gesamtkonzeptes für unser Afghanistan-Engagement nicht gerecht geworden sind. Es waren die Innenminister Schily und Schäuble, die es zugelassen haben, dass Deutschland der Verantwortung für die Polizeiausbildung in nur sehr unzureichender Weise gerecht geworden ist. Es war die Entwicklungshilfeministerin Wiczorek-Zeul, die die zivile Aufbauunterstützung mit zu wenigen Mitteln ausgestattet und sich teilweise der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr vor Ort verweigert hatte, und es war der Verteidigungsminister Struck, der vollmundig von der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch gesprochen hat, und der Minister Jung redete in unverantwortlicher Weise die Lage in Afghanistan schön und hat die Öffentlichkeit falsch informiert. Beide Verteidigungsminister haben es versäumt, die lageangepassten politischen, juristischen und militärischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Auftragserfüllung der eingesetzten  Soldaten zu schaffen. Und alle haben ohne einen tauglichen Plan nebeneinander her Politik gemacht und der deutsche Bundestag hat zugeschaut. Dieses zurückliegende politische Versagen ist zum Teil Ursache für die stark verschlechterte Sicherheitslage in den Regionen Afghanistans, in denen Deutschland Verantwortung trägt.

Und das Debattenpapier geht auch nicht darauf ein, dass der damalige Außenminister Steinmeier im Wahlkampf nicht aufgrund außenpolitischer Verantwortung sondern aus wahltaktischen und  populistischen Gründen ein nicht abgestimmtes, dürftiges Zehnpunkte-Papier zur Zukunft Afghanistans herausgebracht hat, ohne dafür auch nur im Ansatz Vorstellungen von einem zivil-militärischen Gesamtkonzept für Afghanistan zu haben, wie es die Opposition heute zu Recht von der Regierungskoalition fordert.

Und die heute politisch Verantwortlichen haben bisher zu vielstimmig zu wenig für die Zukunft Afghanistans geleistet. Heutiges „Versagen“ gründet aber auf vielfältigem Versagen in den letzten beiden Legislaturperioden.

Das Debattenpapier reicht aber auch nicht weit genug in die Zukunft, denn es formuliert zwar vage politische Ziele aber keine klaren und eindeutigen politischen Vorstellungen, von denen sich konkrete qualitative und quantitative  Veränderungen der deutschen Afghanistananstrengungen ableiten ließen. Das Papier definiert auch nicht den Zustand in den entsprechenden Politikfeldern, der es jeweils erlauben würde, die Verantwortung an Afghanistan zu übergeben. Wer  wie die SPD auf einer solch mageren Grundlage das Enddatum 2015 für das deutsche Engagement nennt, handelt eher populistisch aus parteipolitischem Kalkül als mit Verantwortungsgefühl für die gute Zukunft der afghanischen Bevölkerung.

Die SPD sollte die Afghanistanpolitik nicht zur Profilierung nutzen, sondern sich verantwortungsbewusst – auch mit Blick auf ihre bisherige Politik – wieder mit ihren teilweise guten Ideen in den so wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Konsens einbringen.

Verantwortung sollte vor Profilierung gehen.

 

(23.01.2010)

 

 

 

 

 

.

Zurück zur Startseite:  www.hansheinrichdieter.de