Schwache Politik
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Schwache Politik (1. April 2009)

 

 

Am 26. März 2009 gibt Kanzlerin Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zu „60 Jahre NATO“ und in Erwartung eines neuen strategischen Konzeptes der USA zur Lösung der Probleme in Afghanistan und Pakistan.

Es wird sehr deutlich, dass die Kanzlerin des NATO-Partners und drittgrößten Truppenstellers in Afghanistan nicht weiß, was von Deutschland im Rahmen dieses neuen Konzeptes erwartet wird, bzw. womit wir beim Sondergipfel zu Afghanistan und bei der NATO-Tagung überrascht werden. Das ist ein Eingeständnis sehr unzureichender deutscher Sicherheitspolitik.

FDP-Chef Westerwelle hat schon recht mit seiner Anmerkung, dass an sich die Drähte zwischen Berlin und Washington in Vorbereitung eines neuen strategischen Konzeptes glühen müssten. Aber wie sollen Drähte glühen, wenn Kanzlerin Merkel mangels eigener deutscher strategischer Vorstellungen und Zielsetzungen überhaupt nicht weiß, was sie an deutschen Beiträgen vorbringen sollte. Und die Drähte bleiben relativ kalt, weil Präsident Obama genau weiß, dass von deutscher Seite mangels eines strategischen Konzeptes keine konstruktiven Vorschläge kommen können. Und die Sätze, dass Deutschland sich im Norden Afghanistans nicht zu verstecken brauche und keine weitere Verstärkung des deutschen Anteils der ISAF-Schutztruppe plane, kennt er schon. Die Meinung Deutschlands ist für Präsident Obama nicht so wichtig, weil wir sicherheitspolitisch in Afghanistan auch aus seiner Sicht keine so wichtige Rolle mehr zu spielen scheinen. Wir haben halt hinsichtlich unseres Einflusses in Afghanistan viel verspielt.

Wir waren 2001 Gastgeber der Petersberg-Konferenz zu Afghanistan, anfangs hat Deutschland das größte Kontingent der ISAF und zweimal den Kommandeur der Schutztruppe gestellt sowie 2006 das ISAF-Regionalkommando und damit die Verantwortung in Nordafghanistan übernommen.

Wir hatten Berater im Präsidentenpalast und in Ministerien, deren Dienstposten inzwischen gestrichen sind. Der UN-Sondergesandte war 2006/2007 ein Deutscher, jetzt ist dort ein Norweger. Es sind inzwischen keine Deutschen mit Gewicht im politischen und im Wiederaufbaubereich mehr tätig. Und bis Ende 2008 war ein deutscher Generalmajor Chef des Stabes ISAF in Kabul. Diesen wichtigen Dienstposten hat jetzt ein Italiener übernommen, ohne annähernd gleichwertigen deutschen Ersatz

Und der Sonderbeauftragte Mützelburg vertritt offenbar nur das Auswärtige Amt und man muss davon ausgehen, dass die afghanische und die internationale Politik sehr wohl die Demontage von Herrn Mützelburg durch unzureichende Ressortabstimmungen und Ungeschicklichkeiten des Außenministers Steinmeier wahrnimmt.

Dabei hätte Deutschland viel auszuwetzen, nachdem wir die Verantwortung für die Polizeiausbildung und den Polizeiaufbau übernommen hatten, aber praktisch gescheitert sind und nach massiver Kritik 2007 die Verantwortung an die EU übergeben wurde.

Da wundert es dann überhaupt nicht, dass bei der jüngsten Pressekonferenz des Verteidigungsministers Jung in Kabul, der ISAF-Kommandeur McKiernan es nicht für nötig hielt, teilzunehmen. An sich könnte man über eine solche Sache hinwegsehen und sie als amerikanische Unhöflichkeit abtun, wenn nicht über diese Missachtung der deutsche Bedeutungsverlust für alle erkennbar und deutlich würde.

Aber warum haben wir als drittgrößter Truppensteller und viertwichtigste Geber-Nation solche politischen Schwierigkeiten?

Die wesentliche Ursache ist sicherlich Politikversagen. Der Prozess der politischen und parlamentarischen Willensbildung ist unzureichend. Es gelingt nicht, z. B. auch für unser Afghanistan-Engagement ein strategisches Konzept als Grundlage für politische Zielsetzungen und Entscheidungen und entsprechendes Handeln mit strategischer Reichweite zu entwickeln.

Die Ministerien sind im Ressortdenken gefangen, das verhindert die Einrichtung eines Bundessicherheitsrates und dem Kanzleramt gelingt es offenbar nicht, die erforderliche Koordinierungsleistung zu erbringen.

Die diesbezügliche parlamentarische Kontrolle  wird von den entsprechenden Ausschüssen auch nicht koordiniert wahrgenommen und die unter dem Druck der Tagespolitik stehenden und von Parteipolitik stark abhängigen Parlamentarier haben mehrheitlich wohl nicht die Möglichkeiten, in strategischen Perspektiven sowie ressortübergreifenden, politischen Vernetzungen und Abhängigkeiten zu denken. Deswegen findet eine sicherheitspolitische und strategische Debatte auch nicht statt.

Die Bevölkerung wird dementsprechend auch nicht ehrlich informiert. Die zuständigen Politiker verbreiten eher Stereotype und Schlagworte, die nicht mit Inhalt zu füllen sind. Wir reden vollmundig von einem Konzept vernetzter Sicherheit, sind aber nicht in der Lage, es auszuformulieren und zu realisieren.

Das sind blamable Versäumnisse, wenn man sich vor Augen führt, mit welchem Engagement sich unsere Soldaten, Aufbauhelfer, Polizeiausbilder und Fachleute der GTZ und von NGOs für Afghanistan einsetzen.

Nun hat Verteidigungsminister Jung ein neues Schlagwort in den Ring geworfen: „umfassender Ansatz“. Wer Zeit, Geduld und viel Nachsicht hat, kann sich diesbezüglich unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/941743/InterviewderWoche  einen eigenen Eindruck verschaffen. Wir „eiern“ leider auf allen möglichen Ebenen herum.

Nun feiern wir den 60. Geburtstag der NATO. Die USA werden in dem Zusammenhang auf der Grundlage ihrer neuen Afghanistan-Strategie mit gutem Beispiel vorangehen und ihr Kontingent um 17 000 Soldaten und 4 000 Polizeibausbilder aufstocken. Und der NATO-Generalsekretär sagte im Vorfeld des Jubiläumsgipfels, Afghanistan sei „nicht der Krieg von US-Präsident Barack Obama. Das ist unser gemeinsamer Krieg.“

Dieser „Krieg“ findet dann sicher ohne den Bündnispartner Deutschland statt. Weil Parlament und Regierung nicht den Mut und die Kraft aufbringen, dem Volk klipp und klar zu erklären, welche Rolle Deutschland in diesem „Afghanistan-Krieg“ spielt und dass sich die Soldaten der Bundeswehr in einem Kriegseinsatz befinden. Diese Unehrlichkeit ist irgendwo auch unwürdig, denn sie hat ständiges Lavieren zur Folge und macht die verantwortlichen Politiker zu Getriebenen.

Um uns nicht ganz so treiben zu lassen, sagen wir 50 Millionen Euro für die Ausrüstung  der afghanischen Streitkräfte zu. Aber der „Krieg der NATO in Afghanistan“ wird weiterhin ohne Deutschland stattfinden, denn wir sind aus unserer Sicht ja quasi in einer Art vernetztem Stabilisierungseinsatz, bei dem Kampfhandlungen ggf. nicht ganz ausgeschlossen werden können, ohne dass die Politik die Voraussetzungen für eine „Vernetzung“ unseres Engagements geschaffen hätte. Ein blamables Versäumnis schwacher Politik!

Unsere Politik untergräbt die Stellung Deutschlands in der NATO und verringert unser Ansehen. Die Rolle eines weltpolitischen Zuschauers ist spätestens seit der Vereinigung Deutschlands nicht mehr angemessen.

(1. April 2009)

 

 

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