Sicherheitspolitische Wueste
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„Sicherheitspolitische Wüste“ (30.06.2010)

 

Deutschland befindet sich zurzeit im Bundespräsidenten-Wahl-Loch, und das kurz vor dem Sommerloch mit einer zu erwartenden sehr dürftigen politischen Diskussion und der einen oder anderen Wortmeldung von Hinterbänklern und dritter Garnitur. Von „politischer Klasse“ kann in dem ständigen parteipolitischen Gezerre und Gezänk ohnehin keine Rede sein und der/die eine Politiker/in mit dem Zeug zur „Klasse“ wird die Sommerpause dann genießen.

Dabei gäbe es genug zu diskutieren und zu tun, wie nur wenige Beispiele, gerade in der Sicherheitspolitik, zeigen.

Eine Expertenkommission unter Ex-US-Außenministerin Albright legte im Mai erste Vorschläge für eine neue Nato-Strategie vor und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will auf Grundlage dieser Experten-Empfehlungen bis November 2010 einen förmlichen Vorschlag für eine neue Strategie des Bündnisses erarbeiten lassen. Sie soll die bisherige Strategie von 1999 ersetzen. Die Nato und ihre Zukunft ist für uns von hohem Interesse, das allerdings merkt man in Deutschland – wie gewohnt – nicht. Deutsches Mitglied der Expertengruppe war und ist der frühere deutsche Botschafter in Russland, Hans-Friedrich von Ploetz. Eine sicherheitspolitische Diskussion und die Formulierung von deutschen sicherheitspolitischen Interessen, die Herr von Ploetz in die Expertenkommission hätte einbringen können, gab es nicht, Herr von Ploetz hat lediglich sich selbst eingebracht. Genauso wenig gibt es jetzt eine Diskussion über die Experten-Empfehlungen. Wir werden uns vom Entwurf der neuen Nato-Strategie im November überraschen lassen und dann mangels eigener Vorstellungen und formulierter Interessen zustimmen.

Nach den Terrorangriffen auf die USA im September 2001 folgte in Afghanistan die bisher größte Militäraktion der Nato. Die Bilanz der neun Jahre sehr kostspieligen Engagements – auch im Hinblick auf Menschenleben – der internationalen Gemeinschaft ist sehr ernüchternd und bisher negativ. Gleichwohl gibt es nach der Londoner Konferenz politische Entscheidungen und Festlegungen für das weitere Vorgehen. Deutschland will so bald wie möglich eine „Übergabe in Verantwortung“ gewährleisten und will sich dazu ein wenig stärker einbringen als bisher, hauptsächlich mit ziviler Aufbauhilfe und durch mehr Ausbilder für afghanisches Sicherheitspersonal. In der schwierigen Lage Afghanistans  wird der amerikanische Nato-Oberkommandierende McChrystal abgelöst und in Deutschland interessiert hauptsächlich, ob die Ablösung gerechtfertigt war oder nicht.

Bei der Anhörung im Senat sagt der designierte Nachfolger General David Petraeus, dass es ein rasches Ende des US-Einsatzes in Afghanistan  nicht geben wird. "Nach meiner Einschätzung werden die schweren Kämpfe andauern und in den nächsten Monaten sogar an Intensität zunehmen." Das entscheidende Problem, der Aufbau funktionsfähiger Polizei- und Armee-Einheiten, verlaufe nur schleppend und einem jüngsten Bericht zufolge nur mit mäßigem Erfolg. Insgesamt 27 Milliarden Dollar wurden für den Aufbau von Polizei und Armee bisher ausgegeben. Alle Bemühungen würden jedoch durch die weit verbreitete Korruption und den Drogenmissbrauch bei den Sicherheitskräften behindert. Es gebe außerdem keine ausreichende Zahl an Ausbildern. Und die wenigen, die es gibt, seien manchmal selbst schlecht ausgebildet. Diese in den USA bekannte Lage müsste an sich für unsere deutschen Sicherheitspolitiker Anlass genug sein, mit der internationalen Gemeinschaft zusammen eine schonungslose Zwischenbilanz aufzumachen, und dann die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um ein vorzeitiges Scheitern zu verhindern und die von Kanzlerin Merkel propagierte baldmögliche „Übergabe in Verantwortung“ doch noch realisieren zu können. Außerdem wäre es an der Zeit, die Bevölkerung ehrlich über die wahrscheinlich auf uns zukommenden intensiveren und schwereren Kämpfe auch deutscher Soldaten im Norden Afghanistans zu informieren. Solche Diskussionen wird es wohl nicht geben, weil auch unsere Sicherheitspolitiker mit wenigen Ausnahmen nicht „Klasse“ sind sondern eher Mittelmaß und Sicherheitspolitik zur innen- und parteipolitischen Interessenwahrnehmung betreiben.

Da ist es wichtig, dass der Wehrbeauftragte in einem Zwischenbericht mahnt, nun endlich die Ausbildungs- und Ausrüstungsmängel für den Afghanistaneinsatz zu beheben. Hoffentlich wird das im Verteidigungsausschuss ernsthaft diskutiert und nicht hauptsächlich die Frage, ob bei dem Rauswurfgespräch mit General Schneiderhan eine Person mehr oder weniger im Raum war und ob es deswegen zu einer Gegenüberstellung kommen  soll oder nicht.

Die Soldaten im Einsatz jedenfalls sollten unter den wüstenähnlichen Verhältnissen unserer deutschen sicherheitspolitischen Diskussion nicht leiden!

 

(30.06.2010)

 

 

 

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