Sicherheitspolitisches Augenmaß
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Sicherheitspolitisches Augenmaß ( 08.07.2010 )

 

Wenn Haushaltskonsolidierung unter Berücksichtigung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse für Deutschland höchste Priorität hat, dann müssen alle sparen, auch die Bundeswehr.

Sparen bei der Bundeswehr muss aber Sinn machen und Sparvorschläge müssen sicherheitspolitisch überzeugend begründet sein.

Die jetzt bekannt gewordene Vorlage für Minister zu Guttenberg mit dem Titel “Priorisierung Materialinvestitionen – Handlungsempfehlungen” macht eine Reihe von Spar-Vorschlägen mit gravierenden Auswirkungen auf die Struktur, das Personalgefüge, die Stationierung und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sowie auf die Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung, zur Teilhabe an Stabilisierungsoperationen der internationalen Gemeinschaft und damit auf unsere Rolle in der Mitte Europas und unser sicherheitspolitisches Gewicht sowie auf unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit. Sicherheitspolitisch überzeugend begründet werden diese Vorschläge aber nicht. Das schränkt zunächst einmal das Vertrauen in solche Vorschläge ein.

Das Vertrauen in die Sparplanungen des Verteidigungsministers wird weiter dadurch beeinträchtigt, dass zurzeit an zu vielen sicherheitspolitischen „Baustellen“ gewerkelt wird und die Öffentlichkeit weder die „Baupläne“ noch die „statischen Berechnungen“ kennt.

Der Grundwehrdienst wurde auf der Grundlage eines faulen Kompromisses im Koalitionsvertrag ohne grundsätzliche und systematische sicherheitspolitische Erörterung auf die militärisch sinnlose Dauer von sechs Monaten verkürzt und inzwischen wird im Zusammenhang mit Sparzwängen die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht diskutiert.

Die Weise-Kommission stellt grundsätzliche Überlegungen zu einer neuen zukunftstauglichen Struktur der Bundeswehr an. Mit Ergebnissen ist nicht vor dem Herbst 2010 zu rechnen. Es ist nicht bekannt, was die Bundeswehr, für die die Kommission Strukturüberlegungen anstellt, in welcher Qualität mit welcher Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit in Zukunft können soll. Sind wir dazu bereit, mit einer stark gerupften Bundeswehr deutlich hinter kleinere Volkswirtschaften wie Italien, Großbritannien und Frankreich zurückzufallen? Wird eine mögliche zukünftige Streitkräfteplanung auf europäischer Ebene berücksichtigt: Arbeitsteilung, Zusammenarbeit und am Ende des Tunnels eine europäische Armee? Fragen über Fragen, aber keine öffentliche sicherheitspolitische Diskussion und keine Antworten. Und die NATO arbeitet gerade an einer neuen Strategie, ohne dass sich Deutschland erkennbar in diese Arbeit einbringt. Da kann man nur hoffen, dass deutsche Interessen und Strukturüberlegungen irgendwie dazu passen.

Und dann ist die Bundeswehr noch im Einsatz, mit Schwerpunkt in Afghanistan. Auch hier muss Deutschland seiner Verantwortung unter schwieriger werdenden Rahmenbedingungen gerecht werden. Dazu bedarf es noch erheblicher Anstrengungen in der Ausbildung und bei der Beschaffung der dringend benötigten Ausrüstung. Und die Bevölkerung muss noch von der Notwendigkeit des Einsatzes überzeugt werden. Einsatz nach Kassenlage kann es da im Hinblick auf erfolgreiche und möglichst verlustarme Auftragserfüllung der vom Parlament nach Afghanistan geschickten deutschen Staatsbürger nicht geben.

Wenn gespart werden muss, dann mit sicherheitspolitischem Augenmaß. Dazu muss allerdings definiert werden. welche außenpolitischen Interessen wir verfolgen wollen, welche sicherheitspolitischen Ziele wir anstreben und welches verteidigungspolitische Konzept dafür taugt. Erst dann kann eine tragfähige und zukunftstaugliche Struktur entwickelt werden und daraus folgt der Bedarf an Personal, Bewaffnung und Ausrüstung.

Beim derzeitigen sicherheitspolitischen Hin und Her, Hick und Hack, sich teilweise widersprechender Vorschläge im Halbwochentakt, hat man eher den Eindruck, dass von unsicherer sicherheitspolitischer Hand in den innenpolitischen Mund gelebt wird. Das erweckt nicht den Eindruck sicherheitspolitisch verantwortlichen Handelns. Dabei wollten unsere Politiker doch verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.

Es fehlt eine grundsätzliche und systematische Debatte zur deutschen Sicherheitspolitik, die von der Bundesregierung angestoßen und beherrscht und nicht jeweils durch Tagesereignisse erzwungen wird.

(08.07.2010)

 

 

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