Top down-Bottom up
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Top down – Bottom up (23.11.2010)

 

Die Weise-Kommission hat ihre Reformüberlegungen „Top down“ angestellt. Das bedeutet, dass die Reform im Verteidigungsministerium ansetzt, um dann nach unten weiter getrieben zu werden. Die Kommission nimmt nicht Kompanien und ihre zukünftigen Fähigkeiten unter die Lupe, auch um sich nicht im Detail zu verlieren. Ausplanungen von Details sind außerdem Aufgabe der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche, jetzt hoffentlich konsequent nach den Vorgaben des Generalinspekteurs. Stimmige Vorgaben fallen allerdings im Augenblick nicht so leicht, weil konkrete politische Vorgaben, mit Ausnahme der haushaltswirksamen Auflagen, nicht gemacht und konzeptionelle Vorstellungen noch nicht entwickelt wurden. Dazu fehlte bisher auch die Zeit, denn der Finanzdruck ist offensichtlich so heftig, dass die ersten Ergebnisse der Strukturplanung schon 2011 kassenwirksam sein sollen.

Der nachgeordnete Bereich, Teilstreitkräfte und Streitkräftebasis, planen derweil unter diesem Zeitdruck, ohne die Betroffenen - die Truppe - hinreichend beteiligen zu können, nach dem Prinzip "Bottom up", also von unten nach oben. Einsatz- und lebensfähige Einheiten und Verbände sind für die Truppe Voraussetzung, um zukünftig geforderte militärische Fähigkeiten auch verfügbar machen zu können. Nur weiß bisher keiner so recht, wer welche Fähigkeiten in Zukunft in welcher Qualität für militärische Auftragserfüllung national und international bereitstellen soll. Das ist eine sehr schwierige Planungssituation.

Und es geht ja um nicht weniger als eine vom Einsatz her gedachte zukunftsfähige Bundeswehr für 2020/30, die den nationalen und internationalen Herausforderungen gewachsen sein und gleichzeitig deutlich weniger kosten soll. Da darf man als Staatsbürger von den verantwortlichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitikern erwarten, dass sie die erforderlichen politischen Vorgaben machen. Die gibt es bisher nicht.

Die Kommandeurtagung der Bundeswehr in Dresden ist dann auch nur ein Termin für öffentlichkeitswirksame politische Auftritte, denn politische Vorgaben kommen ohnehin schon nach der Planung und müssen ohnehin später an hauptsächlich fiskalisch orientierte Planungsergebnisse der Bundeswehrreform angepasst werden.

Bundeskanzlerin Merkel hat offensichtlich gute Berater und Redenschreiber für außenpolitische Anlässe, die Berater und Redenschreiber für sicherheitspolitische Termine sollte sie austauschen. Wer angesichts dieser, aufgrund des finanzpolitischen Zeitdrucks, politisch miserabel vorbereiteten Reform die militärischen Verantwortungsträger ermuntert, "Spaß an der Veränderung" zu haben und versucht, ihnen vorzugaukeln, sie hätten die Chance, "Symbol für die Veränderungsbereitschaft" in Deutschland zu werden, verkauft die Herren Generale einfach für dumm und zeigt zumindest starkes kognitives und emotionales Desinteresse. "Mutti" hat so keine Chance "Mutter der Truppe" zu werden. Und wenn dann der Verteidigungsminister sich ein neues Denken in der Truppe wünscht und einen "Dialog der Verantwortungsträger und keine Versammlung der Bedenkenträger" fordert, dann bewegt er sich stark auf der Grenze der Unterdrückung sehr berechtigter Kritik, nicht an den sehr wichtigen Reformforderungen sondern an den sehr kritikwürdigen Reformbedingungen. Die Tendenz zum Mundtotmachen hatten wir seit den schwieriger werdenden Zeiten der Vereinigung Deutschlands, von Rühe bis Jung. Das passt dann auch zum Anlass der Kommandeurtagung in Dresden, "Zwanzig Jahre Armee der Einheit", nicht aber zum wichtigen zukunftsentscheidenden Thema.

Und was wird denn den militärischen Verantwortungsträgern beim politischen Teil der Kommandeurtagung angeboten? Es wird der Versuch gemacht, Zahlen zu verkaufen. Der Minister wollte ursprünglich deutlich weniger militärisches Personal, die Weisekommission schlägt 180.000 vor, Union und FDP fordern 190.000 , der Minister spricht nun weniger konkret von 180.000-185.000 Soldaten. Keine dieser Zahlen ist fähigkeitsorientiert begründet. Und da sollen die Militärs "Spaß" haben?

Der Minister hat den ersten Tag der Kommandeurtagung sehr bestimmt an sich gezogen und auch die zivilen Verantwortungsträger dazu eingeladen. Da fehlt der Hinweis der Kanzlerin an den "Spaß" der zivilen Verantwortungsträger an der erforderlichen Veränderung. Und diese Veränderung ist offensichtlich auch weniger stark gefordert. Denn die Weise-Kommission fordert eine moderate Reduzierung auf 50.000 und nun ist nur noch von einem zukünftigen Umfang von 65.000 Zivilbediensteten die Rede. Die Bundeswehrverwaltung hat sich bisher der Transformation verweigert und das Ziel 75.000 in 2010 bei weitem verfehlt. Bei den zivilen Verantwortungsträgern ist anzufangen, wenn es um Veränderungsbereitschaft geht. Wenn hier in dieser frühen Phase der Planung schon Zugeständnisse an den zivilen Bereich gemacht werden, der nicht "vom Einsatz her gedacht werden", sondern den Einsatz nur unterstützen muss, kann man verstehen, dass der "Spaß" bei den Militärs stark "chilled down" ist.

Es stimmt hoffnungsfroh, dass zwischen den Zeilen herauszulesen ist, dass Minister zu Guttenberg den Empfehlungen der Weise-Kommission offenbar weitgehend folgen will. Da es um die Bundeswehr der Zukunft geht, kann man nur hoffen, dass sich "Top down" und "Bottom up" der Strukturplanung irgendwo und irgendwann harmonisch zusammenfügen lassen.

Die Inhaberin der Richtlinienkompetenz sollte sich intensiv und objektiv über die Rahmenbedingungen und den Sachstand der Planungen für eine zukünftige Bundeswehr unterrichten lassen, bevor sie sich unausgegoren zu Wort meldet.

(23.11.2010)

 

 

 

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