Überflüssig wie ein Kropf
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Überflüssig wie ein Kropf (05.März 2010)

 

Wir beklagen die Kurzatmigkeit der Politik in Deutschland. Wir sind sehr unzufrieden mit der Kurzfristigkeit des politischen Denkens und Handelns unserer Politiker in Legislaturperioden – wenn es gut geht – bzw. in Wahlkampfzyklen. Wir sehnen uns nach visionären Staatsmännern oder -frauen, die unbeirrt von Stimmungen, Trends und von den Niederungen der Alltagspolitik langfristige Ziele an der Sache orientiert konsequent verfolgen.

Und gleichzeitig schauen wir als Bürger zu, wie Politik manchmal zu Schaulaufen in Talk-Shows verkümmert, in Medien manchmal eher Stimmung gemacht als informiert wird, wie sich die Politiker der unterschiedlichen Lager beschimpfen, verleumden und gegenseitig schlecht machen und wie es noch nicht einmal in einer Regierungs-Koalition gelingt, an einem Strick in die gleiche Richtung zu ziehen. Und in dieser politischen Situation scheinen sich auch noch große Teile der Bürger für ZDF-Politbarometer, Forsa-Umfragen, ARD-Deutschlandtrends, Sonntagsfragen und zahlreiche andere Umfrage-Institutionen und deren Ergebnisse zu interessieren.

Dabei sind es doch nicht nur die Medien und die Opposition, die die Politiker in Regierungsverantwortung zu politisch Kurzatmigen und Getriebenen machen, sondern zu großen Teilen sind es die ständig in kurzen Zeitabständen veröffentlichten Umfrageergebnisse und Gefühlsäußerungen der Bürger und Wähler, die die Politiker hetzen. Und in solchem Zusammenhang wird der eigentliche Wert und die Aussagekraft der jeweiligen Meinungsumfrage noch nicht einmal hinterfragt.

Im ZDF-Politbarometer vom 27.11.2009 heißt es zum Beispiel : „Zwei Monate nach ihrem desaströsen Bundestagswahlergebnis kann sich die SPD jetzt nach ihrem Parteitag deutlich verbessern: In der aktuellen politischen Stimmung kommt die CDU/CSU nur noch auf 36 Prozent (minus fünf im Vergleich zu Ende Oktober), die SPD verbesserte sich auf 27 Prozent (plus sieben), die FDP bleibt bei elf Prozent, die Linke verliert auf zehn Prozent (minus zwei) und die Grünen kommen nur noch auf zehn Prozent (minus eins).

Wenn bereits am nächsten Sonntag gewählt würde, würden längerfristige Überzeugungen und Bindungen an die Parteien sowie koalitionstaktische Überlegungen eine etwas größere Rolle spielen. Dies berücksichtigt die Politbarometer-Projektion: Die CDU/CSU erhielte danach 35 Prozent (minus eins), die SPD verbesserte sich auf 24 Prozent (plus zwei), die FDP käme auf 13 Prozent (unverändert), die Linke auf zwölf Prozent (minus eins) und die Grünen auf zehn Prozent (minus eins). Die sonstigen Parteien kämen zusammen auf sechs Prozent (plus eins).“

Welchen Sinn machen die Veröffentlichungen von politischen Stimmungen und Bauchgefühlen so kurz nach einer Bundestagswahl? Wer sollte jetzt welche politischen Schlüsse aus dieser Stimmungslage ziehen? Die Politbarometer-Projektion im Hinblick auf Wahlen zeigt dann schon die Unsinnigkeit der Veröffentlichung der reinen Stimmungslage und ist gleichzeitig selbst unsinnig, weil ja erst in knapp vier Jahren gewählt wird. Was soll das Ganze, außer Stimmung machen, denn immerhin hat die SPD ja gefühlte „plus sieben“.

Und so geht das weiter. Am 29.01.2010 geben die Bürger nach 100 Tagen im Amt der schwarz-gelben Regierung schlechte Noten. Insgesamt 70 Prozent glauben, dass sich die Politik der schwarz-gelben Regierung hauptsächlich an den Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen orientiert, nur 26 Prozent sehen das Gemeinwohl im Mittelpunkt des Regierungshandelns (weiß nicht: vier Prozent). Auf welcher Grundlage tun sie das, welchen Grad politischer Bildung haben die Befragten und wie wurden die Fragen gestellt?

Am 26.02.2010 heißt es: Während die Bundesregierung weiter in der Kritik steht, gewinnen die Grünen deutlich an Zustimmung. Das zeigt das aktuelle ZDF-Politbarometer. Eine Mehrheit bezweifelt, dass die Regierung wesentlich zur Lösung anstehender Probleme beiträgt. Wie stellen sich die Befragten sachlich, fachlich die Lösung der anstehenden Probleme vor? Wer sonst trägt nach den Bauchgefühlen der Befragten die Hauptlast bei der Problemlösung, die Grünen?

Und dann watschen die Bürger Anfang März Westerwelle gemäß ARD-Deutschlandtrend trotz Zustimmung ab. 74 Prozent der Deutschen finden es richtig, dass der FDP-Chef die Debatte um Hartz IV angestoßen hat. Unter den FDP-Anhängern sind es gar 96 Prozent. Auch in der Sache geben ihm 60 Prozent der Befragten Recht; unter FDP-Anhängern 83 Prozent. Westerwelles Problem aber ist, dass zugleich gut jeder Zweite glaubt, der Liberale versuche „sich auf Kosten der Schwachen in der Gesellschaft zu profilieren“. Die FDP wird zudem wieder häufiger als „Partei der sozialen Kälte“ wahrgenommen. Was ist denn nun wirklich aus Sicht der Bürger wichtig, das was sie in der Sache politisch für richtig und geboten halten oder der wie auch immer erzeugte politische Glaube?

Und noch einmal der Deutschlandtrend:  Drei Viertel der Deutschen sind unzufrieden mit Merkel und Merkels Team. So sagten 85 Prozent, die Bundeskanzlerin müsste die politische Richtung der Bundesregierung klarer vorgeben. Dennoch kann Merkel in der Liste der beliebtesten Politiker ihren zweiten Platz hinter Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg behaupten. Was stimmt denn nun, die Unzufriedenheit oder die Beliebtheitsskala? Und wenn sich dieser Widerspruch nicht so leicht aufklären lässt, muss man sich fragen, welchen Beitrag uns die Beliebtheitsskalen für unsere politische Entscheidungsfindung leisten.

Solche Umfrageergebnisse und Beliebtheitslisten sind überflüssig wie ein Kropf.

Wir brauchen eher eine verbesserte politische Bildung unserer Bürger und bürgerliche Gelassenheit, die den gewählten Volksvertretern eine faire Chance einräumen, mit der gebotenen Ruhe seriöse und langfristig angelegte Politik zum Wohle des Volkes zu machen.

(05.03.2010)

 

 

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