Undemokratische Ungeduld
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Undemokratische Ungeduld   (01.11.2009)

 

 

Die Zeit zwischen der Bundestagswahl und der Vereidigung der neuen Regierung war ziemlich ärgerlich.

Die Wahl war eindeutig. Die Bürger haben die große Koalition abgewählt. Die Bürger trauen einer liberal-konservativen, bügerlichen Koalition der Mitte am ehesten zu, die Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwinden und haben einer schwarz-gelben Koalition mit ansehnlichen Mehrheiten das Vertrauen geschenkt. Die, die als Hauptwahlziel propagiert haben: Schwarz-Gelb verhindern!, wurden zum Teil empfindlich abgestraft.

Demokratischer Tradition würde es dann entsprochen haben, den Wählerwillen zu akzeptieren und in der Zeit der Koalitionsverhandlungen mit etwas Geduld Ergebnisse abzuwarten. Offensichtlich verrohen die demokratischen Sitten. Viele haben halt die Ergebnisse der Bundestagswahl nur schwer verkraftet.

Ein großer Teil der Medien hat sich häufig in wilden, die FDP verteufelnden Spekulationen verloren, bzw. ohne konkrete Grundlage herbe Kritik geübt und die soziale Kälte heraufbeschworen. Die SPD-Opposition hat, in katastrophalem Zustand taumelnd, angstbeißerisch ohne konkreten Anlass und Grundlage schon einmal nachhaltig zum Ausdruck gebracht, dass die schwarz-gelbe Koalition keinen Plan und keine Richtung hat. Die Grünen sind in dieser Phase ihrer Bedeutungslosigkeit, ausgenommen im Saarland, laut aber weniger ernst zu nehmen. Die Linke zeigt, dass sie auf den Egomanen Lafontaine angewiesen ist, und damit einer sehr unsicheren Zukunft entgegengeht.

Statt sich grundsätzlicher und längerfristiger Probleme thematisch anzunehmen, stehen sich Journalisten - auf Mikro-Informationen erpicht- vor der Landesvertretung NRW die Beine in den Bauch und reagieren beleidigt, wenn die verhandelnden Politiker aus gutem Grund zu Teilergebnissen nicht informieren wollen.

SPD und Grüne verlieren sich in wenig überzeugenden Posen schlechter Verlierer und zerreden ohne die erforderliche Kenntnis der Verhandlungsergebisse vermeintlich gesichertes Detail, anstatt mit einer nachhaltigen Bestandsaufnahme und ehrlichen Niederlagenanalysen zu beginnen.

Diese politische Phase hat nicht dazu beigetragen, stark angeschlagenes Vertrauen der Bürger in die Politiker zurückzugewinnen.

Die Unterschriften unter den Koalitionsvertrag sind noch nicht ganz trocken, da verkündet die Opposition bereits pauschal, der Vertrag sei ohne Substanz, und die Damen und Herren tun so, als ob die in der Legislaturperiode zu verabschiedenden Gesetze im Entwurf schon Teil des Koalitions-Vertrages sein müssten. Es wird lauthals kritisiert, dass Kommissionen eingesetzt und Prüfaufträge erteilt werden sollen, als ob man - gerade in dieser höchst unsicheren Krisenzeit - zu Beginn einer neu zu gestaltenden Regierungsverantwortung schon alle Entscheidungen wasserdicht und möglichst oppositionsfest getroffen haben könnte.

Warum nimmt man den Koalitionsvertrag nicht als das, was er ist, eine politische Absichtserklärung mit gemeinsam getragenen Zielsetzungen für die Legislaturperiode?

Wie das Steuersystem nun endlich reformiert werden soll, steht noch nicht fest, wo und wie genau Steuerentlastungen im Volumen von 24 Milliarden Euro greifen und die Konjunktur ankurbeln sollen, weiß man noch nicht im Detail und schon rückt SPD-Genosse Steinmeier die verantwortlichen Koalitionspolitiker mit dem "Hütchen-Spiel-Vergleich" in die Nähe von Verbrechern.

Kaum verkündet der neue Gesundheitsminister, dass er das System reformieren will, schwillt eine Kakophonie der Kritik zum Crescendo, ohne dass man ihm Zeit gelassen hätte, mit den Fachleuten und im Dialog mit allen Beteiligten die Reform zu erarbeiten.

Jede gute oder gut gemeinte Absicht wird schon mal lautstark verrissen und in Talk-Shows von Experten und vermeintlichen Experten zerredet. Und Vertreter der Koalitionsparteien zeigen nicht die erforderliche Geschlossenheit, sondern gefallen sich auf dem Markt der Eitelkeiten in vielstimmigem Bedenkenträgertum.

Und als ob das an Erbärmlichkeit noch nicht reichen würde, geht die Hatz auf die FDP und ihren Vorsitzenden Westerwelle weiter. Am ersten Arbeitstag des neuen Außenministers entsenden die Medien einen großen Extratross an Journalisten zum EU-Gipfel nach Brüssel, um zu beobachten, wie sich denn der neue Außenminister so gibt, wie entspannt oder angespannt er lächelt und um wenig intelligente Sportreporterfragen zu stellen: "Wie fühlen Sie sich jetzt?", "Haben Sie im Kopf schon realisiert, was sich alles für Sie verändert hat?" u. ä., und um dann, natürlich mehr oder weniger hämisch, zu berichten. Und nicht einmal Herr Frey ist sich zu schade, einen Teil der wertvollen Sendezeit in "Berlin direkt" mit solchen Geschichtchen zu vergeuden. Eine ganze Reihe von Medien hat sich in dieser Zeit nach meiner Beobachtung leider parteipolitisch wenig unabhängig gezeigt. Und mir ist nicht bekannt, dass die Medien mit großem Personalaufwand die ersten Tage von Herrn Fischer als Außenminister begleitet hätten, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie denn ein ehemals gewaltbereiter Revoluzzer und Gelegenheitsarbeiter ohne Schul- und Berufsabschluss seine ersten Schritte auf diplomatischem Parkett versucht.

Die vom Bürger eindeutig gewählte Koalition hatte noch nicht begonnen, da konnte man schon Schlagzeilen lesen wie "Der Start ist vermasselt". Es wurde schon verrissen und zerredet bevor Grundlagen gegeben waren für das was eine Demokratie ausmacht: politische, an der Sache orientierte Diskussion!

Durch undemokratische Ungeduld und die offenbar gewordene Verrohung demokratischer Sitten wurde Vertrauen in Politik und Politiker weiter beschädigt.

 

(01.11.2009)

 

 

 

 

 

 


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