Unzureichende demokratische Kultur
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Unzureichende demokratische Kultur (25.02.2010)

 

Auswirkungen unserer schwierigen und belastenden deutschen Geschichte sind auch Unehrlichkeit in der politischen Diskussion und politisches Verhalten entlang der Linien einer vermeintlichen oder so bezeichneten political correctness. Das beeinträchtigt unsere demokratische Kultur und verhindert nicht gerade selten die öffentliche, an Sachverhalten und Sachargumenten orientierte Diskussion sowie Zivilcourage. Deutschland ist in Teilen ein Land der Tabus, in dem eine freie Debatte unter freien Bürgern zu wenig stattfindet.

In den ersten 100 Tagen der schwarz-gelben Koalition wurde Außenminister und FDP-Vorsitzender Westerwelle durch Medien, Kabarettisten, Oppositionspolitiker aber auch von Teilen der CSU/CDU zu einer Art Unperson geredet und geschrieben. Und einige Parteifreunde stärken auch nicht gerade den Rücken des Chef-Liberalen. Ganz unschuldig ist Herr Westerwelle natürlich nicht, denn er vermittelt häufiger den Eindruck, dass er lieber einen Freund verliert als eine gute Pointe, und wer austeilt, muss auch einstecken können.

Aber hat Herr Westerwelle dieses Hassgerede, diese Verunglimpfungen durch Medien und Oppositionspolitiker verdient?

Der FDP-Vorsitzende spricht Probleme unseres Sozialstaates klar, deutlich und sehr mutig an. Er legt den Finger in die sozialen Wunden unseres Versorgungsstaates und hat eine überfällige öffentliche Diskussion vehement angestoßen. Opposition und auch Koalitionspartner haben nach den ersten emotionalen „Soziale Kälte“-Ausbrüchen und nach heftigem Schwingen der „Gutmenschen“-Keule inzwischen erkannt, dass Herr Westerwelle durchaus zumindest der Mitte der Bevölkerung aus der Seele spricht und Themen besetzt, die an sich CDU/CSU längst aufgegriffen haben müssten. Und SPD und Grüne fühlen sich als Sozialstaatsromantiker entlarvt, weil sie die verfehlte soziale Hängematten-Politik, unter der wir heute leiden, hauptsächlich zu verantworten haben. Deswegen wird verbal noch ein wenig nachgelegt, man führt keine wirkliche Diskussion in der  Sache , sondern flüchtet sich eher  in öffentliche Diffamierungen und ergeht sich in Stilfragen. Das zeugt nicht von demokratischer Kultur.

Dabei hat Herr Westerwelle im Zusammenhang mit Hartz IV nur ausgesprochen, was selbstverständlich ist. Leistung muss sich in Deutschland wieder lohnen und der, der arbeitet, muss mehr in der Tasche haben als der, der auf Kosten unseres Sozialsystems lebt. Das Problem in Deutschland ist, dass sogar Selbstverständlichkeiten tabu sind.

Einige Zahlen, Daten und Fakten.

6,75 Millionen deutsche Bürger erhalten Hartz IV, von diesen haben 50% keinen Schulabschluss. 1,4 Millionen Bürger verdienen so wenig, dass der Lohn vom Staat aufgebessert werden muss. Allein in Berlin sind 16,7 %  Leistungsempfänger. Man weiß, dass  ca. eine Million Hartz IV–Empfänger nicht arbeiten wollen. Im Jahr kostet Hartz IV 45 Milliarden Euro!

Aus diesen Zahlen lassen sich die Belastungen für unseren Sozialstaat deutlich herauslesen. Und angesichts unserer derzeitigen stark überschuldeten Haushalte in Bund,  Ländern und Gemeinden ist an sich jedem Bürger einsichtig, dass jegliche Erhöhung der Regelsätze unseren Sozialstaat überfordert. Und die Bürger wissen sehr gut, dass sich schon heute eine Vollzeitbeschäftigung für Kleinverdiener nicht mehr lohnt und Leistungsempfänger mit mehreren Kindern sich längst besser stellen.

Dazu kommen die demographische Entwicklung, die Überalterung unserer Gesellschaft, die wachsende Zahl von jungen Menschen, denen die Studier- oder Ausbildungsbefähigung abgesprochen werden muss, die große Zahl von Migrantenkindern ohne hinreichende Deutschkenntnisse und ohne Schulabschluss, die andauernde Wirtschaftskrise und die ungünstige Entwicklung am Arbeitsmarkt. Und obwohl  2008 und 2009 die Wirtschaftsleistung rückläufig war, stiegen die Sozialabgaben auf Rekordhöhe.

In Deutschland sind sowohl die Abgaben als auch die Sozialleistungen außer Kontrolle geraten. Diese Belastungen müssen  hauptsächlich vom Mittelstand getragen werden und das schafft eine tiefsitzende Unzufriedenheit und das Gefühl sozialer Ungerechtigkeit.

Und heute debattiert der Bundestag über die Erhöhung der Regelsätze für Hartz IV. Dazu wird es wohl zunächst nicht kommen, denn in der Koalition scheint man - dank der FDP - inzwischen der Auffassung zu sein, dass ein neues, gerechteres aber nicht unbedingt teureres Berechnungsmodell erarbeitet werden muss. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, denn wenn der soziale Frieden gehalten werden soll, dann dürfen keine Maßnahmen ergriffen werden, die durch zusätzliche Sozialgeschenke das Millionenheer von Leistungsempfängern noch vergrößert und den Anreiz zur Wiederaufnahme von Arbeit weiter reduziert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat in der letzten Woche festgestellt: Deutschland bietet Arbeitslosen zu wenig Anreize, eine Arbeit aufzunehmen. Steuern und Abgaben machen gerade mäßig entlohnte Arbeit unattraktiv. Das ist eine klare Aussage.

Deswegen ist es gut und richtig, dass Herr Westerwelle Leistungsgerechtigkeit in Deutschland fordert, um soziale Gerechtigkeit zu erhalten. Statt zu diffamieren sollte sich die Öffentlichkeit ehrlich und ohne Rücksicht auf vermeintliche Tabus  mit den Problemen unseres Sozialstaates auseinandersetzen. Das entspräche eher demokratischer Kultur als die derzeit manchmal hirnlosen Verteufelungen mutiger und auch standfester Politiker, die auch Unangenehmes thematisieren.

(25.02.2010)

Lesen Sie dazu auch Demokratische Unanständigkeit der "Anständigen"

 

 

 

 

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