Vernetzte Sicherheitspolitik
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Stümperhaft vernetzte Sicherheitspolitik  (12. März 2009)

 

 

Sicherheit im 21. Jahrhundert umfasst immer mehr Politikfelder, und so ist das im - ansonsten nicht sehr aussagekräftigen - Weißbuch zur Sicherheitspolitik geforderte Konzept der vernetzten Sicherheit sicher zukunftsträchtig und der richtige Weg.

Teile der Bundesregierung halten dieses ressortübergreifende Konzept für ein Markenzeichen deutscher Sicherheitspolitik und so freuen sich natürlich unsere Politiker, dass der „comprehensive approach“ inzwischen auch mehr und mehr Eingang in amerikanisches Denken gefunden hat.

Und im „Tagesspiegel“ schreibt Minister Jung im November 2008:

„Wir haben das Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ in der politischen Praxis konsequent umgesetzt. In Afghanistan sind wir trotz der immer noch vorhandenen Defizite im Bereich der Regierungsführung und des Wiederaufbaus sowie der in Teilen verschärften Sicherheitslage auf dem Weg zu unserem Ziel selbsttragender Stabilität.“

Soweit zur Theorie und schöngefärbten Papierform sowie Medienlage. Die sicherheitspolitische Praxis sieht leider anders aus.

Die Formulierung einer deutschen Sicherheitsstrategie ist bisher nicht gelungen, weil die außenpolitische Abteilung des Bundeskanzleramtes die Rolle eines dringend benötigten Nationalen Sicherheitsrates nicht spielen kann. Wir wissen in Deutschland also in der Praxis immer noch nicht, für welche Ziele wir vielfältige und kostspielige Sicherheits-Anstrengungen auf uns nehmen.

Und was soll man von einem Außenminister und Kanzlerkandidaten halten, der Herrn Mützelburg zum Sondergesandten für Afghanistan und Pakistan ernennt, ohne dass die Bundeskanzlerin und die Ressortchefs für Inneres, Verteidigung und Entwicklungshilfe einbezogen waren und von dieser Personalie wissen? Vom Konzept vernetzter Sicherheit kann ein solcher Außenminister wenig halten, wenn er eine für die Realisierung vernetzter Sicherheit in Afghanistan wichtige Persönlichkeit durch stümperhaftes und unabgestimmtes Vorgehen beschädigt und eine gedeihliche Zusammenarbeit von Beginn an belastet und erschwert.

Auch die NATO und die USA haben keine schlüssige Strategie, um der sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan Herr zu werden. Ende März 2009 – vor dem NATO-Gipfel – soll eine solche Strategie durch die USA vorgelegt und auf einer gesonderten Afghanistan-Konferenz diskutiert werden. Man fragt sich, wie wir uns als Bundesrepublik Deutschland und Verbündeter in diese Diskussion einbringen wollen, wenn wir keine eigenen strategischen Zielsetzungen formuliert haben. Welche konkreten Vorstellungen haben wir als die selbsternannten und vermeintlichen „Erfinder“ des comprehensive approach hinsichtlich der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die afghanische Regierungsarbeit, der Sicherheitslage, des wirtschaftlichen Aufbaus und der sozialen Absicherung im Zusammenhang mit der Reduzierung des Drogenanbaus? Bisher begnügen wir uns – wie immer – mit vergleichsweise marginalen Umfangserhöhungen unseres militärischen Beitrages und halten das schon für einen „strategischen“ Beitrag.

Und dann fliegt der Verteidigungsminister Jung nach Afghanistan, natürlich mit großem Gefolge. Er will Optimismus demonstrieren, Mut machen und wiederholt stereotyp, er wolle „die Herzen und Köpfe der Menschen für ´sein` Konzept eines vernetzten Ansatzes von Sicherheit und Wiederaufbau gewinnen.“ Da kann man nur hoffen, dass sein Besuch mit Herrn Mützelburg, dem Innenminister und der Entwicklungshilfeministerin gut abgesprochen ist, insbesondere das Versprechen an Stammesälteste, im Raum Kunduz eine Brücke für mehrere Millionen Euro zu bauen.

Einen etwas vernetzten Eindruck macht es schon, wenn Verteidigungsminister Jung sich hauptsächlich um Polizeiausbildungsprojekte kümmert. Bewusst ist er sich des Ansatzes aber weniger, denn er entschuldigt seine „Zuständigkeit“ mit der Beteiligung von Feldjägern an dem Projekt. Anders als der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Eide, der das Eupol-Polizeiprojekt mit sehr deutlichen Worten kritisiert, sieht Minister Jung die Dinge gut vorangehen, aus seiner relativ singulären Sicht stabilisiert sich die Lage. Mut machen halt!

Dann geht es Minister Jung natürlich auch darum, eine gute, zukunftsorientierte Figur zu machen. Nachdem Präsident Obama Anfang März feststellt, dass sich die militärische Lage für die USA und ihre Verbündeten verschlechtert und er deswegen „gemäßigte“ Taliban in die Befriedung des Landes einbinden will, greift der selbsternannte „Wegbereiter vernetzter Sicherheit“ das natürlich gerne auf und kündigt Gespräche auch mit Taliban an. Am Abend des 09. März zum Ergebnis solcher Gespräche befragt, sagt der Minister im ZDF, Mullah Omar sei offensichtlich nicht gesprächsbereit und wolle wohl seinen blutigen Terror fortsetzen.

Der Minister wollte punkten und hat sich das – schlecht beraten - zu leicht vorgestellt, oder ihm waren die Zusammenhänge nicht so klar. Vielleicht wusste er nicht, dass die Briten seit zwei Jahren relativ erfolglos versuchen, Taliban einzubinden. Vielleicht wusste der Minister nicht, dass seit Februar 2009 in Saudi-Arabien Geheimverhandlungen stattfinden, an denen auch ein Beauftragter Mullah Omars teilnehmen soll. Mullah Omar hingegen weiß sehr genau, wer da sehr unbeholfen um ein Gespräch bittet und lehnt natürlich ab, verbunden mit der Forderung, die NATO und alle westlichen Besatzer mögen aus Afghanistan abziehen.

Mullah Omar lehnt auch ab, weil er weiß, dass der „Provinzpolitiker“ Jung kein Mandat hat, Entscheidungen anderweitig fallen, und sich das Gespräch für ihn auch nicht lohnt.

Natürlich stellt sich auch für Deutschland zunehmend die Frage, ob wir im Norden Gespräche mit Taliban führen sollen. Dann aber müssen solche Gespräche ressortübergreifend abgestimmt und an eindeutigen Zielsetzungen orientiert sein. Die für vernetzte Sicherheit in Afghanistan Zuständigen müssen auch genau beurteilen und dann wissen, wer geeigneter Gesprächspartner ist und zu welchen Zugeständnissen man ggf. bereit ist.

Afghanistan ist nicht der Ort für eine „Ziethen-aus-dem-Busch-Operation“ und der „Obergefreite d. R. Jung“ nicht der Mann, der dafür Erfolg verspricht.

Vernetzte Sicherheit muss schon ernsthaft betrieben werden!

 

(12.03.2009)

 

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