Westerwelles Aussenpolitik
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Westerwelles Außenpolitik (29.12.2009)

 

 

Außenminister Westerwelle möchte sicher ein guter deutscher Außenminister werden und in die Fußstapfen von Genscher treten, obwohl der, genauso wie Walter Scheel, keine eigenständige deutsche Außenpolitik gemacht hat.

Anders als Fischer hat Herr Westerwelle eine abgeschlossene Schulbildung, einen akademischen Beruf und einen selbst erworbenen Doktortitel, das hilft. Anders als Steinmeier ist er eher ein Vollblutpolitiker mit großer Parlaments- und Partei-Erfahrung denn Beamter - und auch das ist hilfreich.

So hat er seine vielen Antrittsbesuche in kurzer Zeit erfolgreich hinter sich gebracht und könnte eigentlich ganz zufrieden sein. Aber da sind noch die anhängigen Probleme Steinbach und Afghanistan.

Der Fall Steinbach ist ziemlich in der Sackgasse und Westerwelle muss sich schon fragen lassen, ob er gegenüber Polen deutsche Interessen vertritt oder pro Polen opportunistisch bereit ist, für ein noch nicht gekochtes Linsengericht deutsche Interessen zu vernachlässigen. Ostpolitik neuen deutschen Stils kann das nicht sein.

Das Problem Afghanistan ist schwieriger und vielschichtiger. Aufgrund eklatanter Versäumnisse der Außenminister Fischer und Steinmeier ist Deutschland mit mehreren Tausend Staatsbürgern ohne ein gesamtstrategisches Konzept, also ziemlich ziellos, im Rahmen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan für den Aufbau dieses von Krieg und Terrorismus geschundenen Landes engagiert. Das Afghanistan-Engagement droht aus den vielfältigsten Gründen zu scheitern. Die USA sehen eine mögliche Lösung in einer erheblichen Kraftanstrengung mit der Entsendung von zusätzlichen 30 000 Soldaten, um den Taliban den Boden zu entziehen und so die Voraussetzungen für einen im Juli 2011 beginnenden Abzug zu schaffen. Die Mehrzahl der internationalen Staatengemeinschaft folgt diesen Vorstellungen und sagt Truppenverstärkungen zu. Deutschland ist sehr wohl für einen baldigen Abzug, verweigert sich aber zusammen mit Frankreich solchen Zusagen und verweist auf die Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London. Derweil hat Verteidigungsminister zu Guttenberg die Erarbeitung eines strategischen Konzeptes in Auftrag gegeben, um eine Grundlage für die Teilnahme an der Londoner Konferenz zu haben.

Und wie immer, wenn es keine klaren, eindeutigen und vom Parlament verabschiedeten Vorstellungen für politisches Handeln gibt, reden viele Politiker, von denen kaum einer an einem hingehaltenen Mikrofon vorbeigehen kann, Vielfältiges und Unkoordiniertes in den Äther. Dem für die Auslandseinsätze federführenden Außenminister (FDP) müsste das höchst peinlich sein.

Deutsche Realpolitik stellt sich entsprechend dar.

Der Verteidigungsminister (CSU) scheint in Kenntnis der realen Lage vor Ort Truppenverstärkungen zu befürworten, wenn sie den noch zu erarbeitenden strategischen Vorstellungen entsprechen. Im Grunde weiß er sehr genau, dass gesicherte Aufbauarbeit in Afghanistan als Voraussetzung für einen "Abzug in Verantwortung" beginnend im Juli 2011 nur mit einer erheblichen Polizei- und Truppenverstärkung zu gewährleisten ist, muss aber auf die Ergebnisse von London verweisen, als ob dort ein großer strategischer Wurf gelänge.

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) kündigte inzwischen an, die Arbeit von Militär und Polizei sowie zivilen Kräften besser miteinander zu verzahnen. „Es wird keine Militarisierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit geben. Im Gegensatz zu meiner Amtsvorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul habe ich aber auch keine Bundeswehr-Phobie“, sagte er. Es ist gut zu wissen, dass der ehemalige Oberfeldwebel und heutige Hauptmann der Reserve Niebel keine Bundeswehr-Phobie hat. Aber hier redet ein Unzuständiger, denn vor einer "Verzahnung" wäre es die Aufgabe des Innenministers, die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten der politischen Zusage anzupassen. Und bestenfalls wackelt hier leider der Schwanz mit dem Hund, gemessen an den Entwicklungshilfeanstrengungen für Afghanistan.

Zwischendurch, ungefragt und unzuständig, äußerst Populist Seehofer (CSU), dass er gegen eine Truppenaufstockung über 4 500 Soldaten sei.

Der Innenminister (CDU) hält sich wie immer "bescheiden" zurück, er hätte auch keine Erfolge oder Konzepte zu vertreten sondern langjähriges, eklatantes deutsches Versagen im Polizeiaufbau Afghanistans.

Der für Auslandseinsätze federführend zuständige Außenminister Westerwelle hingegen vermittelt den Eindruck, dass er gegen eine Aufstockung der Truppen in Afghanistan sei, und hat darauf verwiesen, dass die Obergrenze gerade erst von 3500 auf 4500 Soldaten angehoben worden ist. Militär könne den zivilen Aufbau nicht ersetzen, sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Deutschland sei bereit, beim zivilen Aufbau, insbesondere bei der Ausbildung der Polizei, mehr zu tun. Und Außenminister Westerwelle erklärte, er werde an der Konferenz in London nicht teilnehmen, falls es nur um militärische Fragen gehe. Auf dem Treffen müsse eine Gesamtstrategie für Afghanistan debattiert werden. Eine "reine Truppenstellerkonferenz" lehnt er ab, wie es heißt.

 

So wird Herr Westerwelle kein bedeutender deutscher Außenminister werden können, denn

 - Westerwelle hat seine federführende Verantwortung für Auslandseinsätze offenbar bisher nicht erkannt, oder er will sie nicht wahrnehmen. Das Auswärtige Amt hat ihn außerdem noch nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass neben Truppenaufstockungen noch vier weitere Haupt-Agenda-Punkte vorgesehen sind.

 - Westerwelle hat bisher keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, eine in seiner Federführung liegende Erarbeitung eines gesamtstrategischen Konzeptes für Afghanistan in Auftrag zu geben, er lässt vielmehr den Verteidigungsminister wohl selbständig ein militärstrategisches Konzept entwerfen, beklagt gleichzeitig militärische Dominanz und lässt Kabinettskollegen unabgestimmte oder auch  unausgegorene Aussagen über seinen Verantwortungsbereich machen.

 - Westerwelle hat das Prinzip des "vernetzten Ansatzes" noch nicht richtig verstanden und weiß noch nicht, dass ziviler Aufbau ohne hinreichende militärische Absicherung nicht zu gewährleisten ist.

 - Westerwelle will sich ggf. einer internationalen Konferenz verweigern und kommt offenbar nicht auf die naheliegende Idee, den Verlauf der Londoner Konferenz mit deutschen gesamtstrategischen Vorstellungen zu bereichern und die Agenda entsprechend zu beeinflussen.

Das alles ist traurig und peinlich zugleich. Es lässt den Verdacht zu, dass Deutschland weiter Außenpolitik mit an sich richtigen Schlagworten wie "vernetzter Ansatz" oder "Abzug in Verantwortung" machen will, ohne sich allerdings der damit verbundenen realen Verantwortung stellen zu wollen.

Und Kanzlerin Merkel lässt solche Politik zu. Sie sollte es besser wissen und Herrn Westerwelle in der Anfangsphase bei schwierigen Dingen etwas an die Hand nehmen.

Frau Merkel sollte darüber hinaus endlich "Kompetenz" zur Anwendung der Richtlinienkompetenz  auf der Grundlage ihrer Regierungserklärung zu Afghanistan vom November zeigen. Wenn aber Außenminister Westerwelle seine Teilnahme an der Londoner Konferenz tatsächlich verweigern sollte, dann wird Minister zu Guttenberg ihn glänzend vertreten und keiner wird Westerwelle vermissen.

(29.12.2009)

 

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