Zu kurze Wehrpflicht
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Zu kurze Wehrpflicht  (29.03.2010)

 

 

In 40 Dienstjahren als Soldat war ich Befürworter und Verfechter der allgemeinen Wehrpflicht. Die tiefempfundene Überzeugung von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit dieser staatsbürgerlichen Grundpflicht für unser Gemeinwesen wurde allerdings über die Jahre durch die sicherheitspolitische Entwicklung, durch die damit einhergehende geringer werdende Bedeutung der Aufwuchsfähigkeit deutscher Streitkräfte aber hauptsächlich durch die zunehmende Wehrungerechtigkeit und die Verkürzung der Dauer des Grundwehrdienstes unter die Sinngrenze ständig reduziert.

Ab Oktober 2010 sollen die Wehrpflichtigen statt neun nur noch sechs Monate Grundwehrdienst leisten. Diese staatsbürgerliche Pflicht sollte man jungen Staatsbürgern aber nur abfordern, wenn es für sie und die Bundeswehr Sinn macht.

Schon mit der derzeitigen neunmonatigen Wehrdienstzeit gelingt es nicht, den Grundwehrdienstleistenden das Gefühl zu vermitteln, dass sie – außer für Hilfsdienste – wirklich gebraucht werden. An das starke Erlebnis Grundausbildung und eine mehr oder weniger interessante Spezialausbildung schließt sich häufig wenig sinnvoller Leerlauf an, denn die Grundwehrdienstleistenden können auf der Grundlage der genossenen Ausbildung keine militärischen Funktionen an hochtechnisierten Waffen und Ausrüstung wirklich ausfüllen, schon überhaupt nicht im Einsatz.

Da verwundert es, dass der Verteidigungsminister zu Guttenberg an den von seinem Vorgänger Jung ausgehandelten zweifelhaften Kompromiss geradezu euphorisch herangeht, wenn er sagt: „Ich bin überzeugt davon, dass wir eine Diskussionsgrundlage geschaffen haben, die eine ist, die einen attraktiven Wehrdienst gestalten lässt, die sechs bestens genutzte Monate für junge Menschen bedeutet.“

Nach Guttenbergs derzeit bekanntem Konzept soll die dreimonatige Grundausbildung im Heer erhalten bleiben. Bei den anderen Teilstreitkräften soll dieser Ausbildungsblock zum Teil auf zwei Monate verkürzt werden. Daran schließen sich Spezialausbildung und Funktionsdienst an und auch der zustehende Urlaub soll abgegolten werden. Wichtig sei, so zu Guttenberg, dass die jungen Männer die Zeit danach "intensivst" in der Truppe nutzen könnten.

 Da wird dann auch von „Schnupperkurs“, von „Wehrpflicht light“ und von „Praktikantenkurs“ gesprochen, denn es ist ja wohl nicht möglich, in die sechs Monate den Ausbildungsstoff von neun Monaten zu packen. Und die Grundfrage ist noch zu beantworten, die der ehemalige Generalinspekteur von Kirchbach stellt: "Wie gibt man den Wehrpflichtigen einen konkreten Auftrag, in dem sie auch einen Sinn erkennen?"

Der doch ernst zu nehmenden Kritik tritt der Minister energisch entgegen. Er meint, dass in sechs Monaten durchaus ein „erstklassiges Ausbildungs- und Tätigkeitsfundament“ geschaffen werden könne, das für viele Funktionen in der Bundeswehr ausreiche: "Wir wollen hier keine Praktikanten, die bei der Bundeswehr einen Schnupperkurs belegen und ein paar Wochen in für sie lustigen Uniformen herumlaufen." Und: "Es soll in diesen sechs Monaten ja niemand bereits zum General ausgebildet werden." Ironie hilft bei dieser Problematik allerdings überhaupt nicht weiter. Abseits der Ironie ist zu Guttenberg dann sogar der Auffassung, Wehrpflichtige könnten im Heimatschutz eingesetzt werden: "eine Aufgabe, für die eine kürzere Einsatzzeit durchaus sinnvoll sein kann". Dabei ist Heimatschutz in der derzeitigen sicherheitspolitischen Lage grundsätzlich keine sinnvolle Aufgabe, deswegen werden diese Strukturen derzeit auch abgebaut, und so wird Heimatschutz auch nicht als „Placeboaufgabe“ für Grundwehrdienstleistende sinnvoller.

Darüber hinaus sollte zukunftsorientierte Argumentation auch plausibel bleiben. Die Strukturkommission, die jetzt ihre Arbeit aufnimmt, soll die zukünftigen Strukturen „vom Einsatz her denken“.  Ausbildungsstrukturen für Grundwehrdienst kosten Personal, das für Einsätze nicht zur Verfügung steht. Die Verkürzung des Grundwehrdienstes kostet zusätzliches Ausbildungs-Personal. Und Grundwehrdienst-Leistende  bringen  nun  einmal  keinen wirklich produktiven Beitrag für die Einsatzarmee Bundeswehr.

Der Wehretat wurde gerade gekürzt. Das Heer ist einem Bericht des Stern zur Folge gezwungen, in ganz erheblichem Maße Waffen und Ausrüstung stillzulegen (zum Beispiel alle Flugabwehrpanzer Gepard, aber auch Artillerie und Ausrüstung von Panzertruppen), um Betriebskosten zu sparen. Die Kosten für die Verkürzung des Wehrdienstes sind bisher noch nicht exakt gerechnet, aber es ergeben sich geschätzte Mehrausgaben von etwa 26 Millionen Euro. Solches Geld wird an sich an anderer, einsatzrelevanter Stelle dringend gebraucht.

Die Wehrpflichtigen waren bisher für die Bundeswehr eine unverzichtbare Rekrutierungsbasis für längerdienende Zeitsoldaten und für Unteroffizier- sowie Offiziernachwuchs. Wenn diese Rekrutierungsbasis durch eine immer kürzere Wehrpflichtzeit ihren Zweck aller Voraussicht nach nicht mehr erfüllen kann, dann lohnen sich die umfangreichen geld- und kräftezehrenden Ausbildungsstrukturen für die Wehrpflichtigen auch nicht mehr.

Wenn es also nicht gelingt oder gelingen kann, den Grundwehrdienstleistenden in der Einsatzarmee Bundeswehr sinnvolle funktionale Aufgaben zuzuweisen, und wenn sich der verkürzte Wehrdienst erkennbar nicht mehr zur hinreichenden Rekrutierung von Längerdienern und Führungsnachwuchs eignet, dann sollte man diesen Kompromiss als faul und zu teuer vergessen.

Konflikte drohen in diesem Zusammenhang natürlich auch im Zivildienst. Dort reichen die sechs Monate nach Aussage von Experten oftmals nicht einmal aus für eine Einarbeitung. Da ist es kein Wunder, dass Wohlfahrtsorganisationen den Ausstieg aus dem Zivildienst planen. Eine Verkürzung im Zivildienst scheint den Diskussionen zur Folge der Bundesregierung weniger verantwortbar zu sein als bei der Bundeswehr. Das mag mit der zu fordernden Qualität des Zivildienstes zusammenzuhängen. Und den Soldaten muten wir ja nur den Umgang mit Kriegswaffen und hochtechnisierter Ausrüstung zu!

Mit zu kurzer Grundwehrdienstdauer wird diese staatsbürgerliche Pflicht ad absurdum geführt. Darüber sollte die christlich- liberale Koalition noch einmal ideologiefrei nachdenken.

Mit einer noch halbherzigeren Wehrpflicht als heute ist der Bundeswehr nicht geholfen.

(29.03.2010)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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